ViDA – Mehrwertsteuer im Digitalen Zeitalter

Die sogenannten ViDA-Vorschläge wurden erstmalig Ende 2022 von der EU-Kommission veröffentlicht. Das Maßnahmenpaket zur Anpassung der umsatzsteuerlichen Regelungen an die sich verändernden Umstände des Wirtschaftslebens in Zeiten der Digitalisierung und Globalisierung hat zum Ziel, den Mehrwertsteuerbetrug zu bekämpfen, den Verwaltungsaufwand für Unternehmen im Hinblick auf die Einhaltung der Mehrwertsteuer-Vorschriften zu verringern und die Wettbewerbsfähigkeit der EU durch Einsatz von Technologien zu stärken.

In den letzten zwei Jahren wurde die Initiative von den Finanz- und Wirtschaftsministerien der EU (ECOFIN-Rat) ausgiebig verhandelt und bis zur jetzigen Fassung angepasst. Im November 2024 konnte schlussendlich im EU-Rat eine Einigung über die Maßnahmen zur „Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter“ erzielt werden. Nach erneuter Anhörung und Zustimmung des EU-Parlaments wurde der Gesetzesentwurf nunmehr im März 2025 final durch den Rat der EU verabschiedet und im Amtsblatt veröffentlicht.

Das Maßnahmenpaket setzt sich aus drei Säulen zusammen, die schrittweise durch die Unternehmen ab 2025 bis 2030 bzw. spätestens bis 2035 umzusetzen sind:

  • E-Rechnung und digitale Meldepflichten
  • Plattformwirtschaft: Ausweitung der Liefer- und Leistungskettenfiktion
  • Konzept der einzigen Anlaufstelle für die umsatzsteuerliche Registrierung

Nachfolgend stellen wir Ihnen die Maßnahmen kurz vor, so dass Sie bereits jetzt einen Überblick über die jeweiligen Änderungen gewinnen können. Konkrete Handlungs- und Umsetzungsempfehlungen werden wir Ihnen rechtzeitig zur Verfügung stellen.

1. E-Rechnung und digitale Meldepflichten

Die verpflichtende elektronische Rechnungsausstellung ist eine zentrale Maßnahme, die nun auf EU-Ebene beschlossen wurde. Deutschland hat von der Möglichkeit, die E-Rechnung für inländische Transaktionen im B2B-Bereich obligatorisch einzuführen, bekanntermaßen bereits Gebrauch gemacht. So gelten seit dem 1. Januar 2025 in Deutschland die neugefassten Vorschriften zur verpflichtenden Abrechnung von inländischen Umsätzen zwischen Unternehmen mittels E-Rechnung (d.h. Rechnungen, die in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen werden und eine elektronische Verarbeitung ermöglichen), wobei der Gesetzgeber den Unternehmen eine zweijährige Übergangsphase bis Ende 2026 einräumt.

Grenzüberschreitende Umsätze im B2B-Bereich, wie zum Beispiel innergemeinschaftliche Lieferungen, Verbringenstatbestände und Dienstleistungen an Leistungsempfänger im übrigen Gemeinschaftsgebiet, sind ab dem 1. Juli 2030 verpflichtend innerhalb von 10 Tagen nach Ausführung der Leistung mittels strukturierter elektronischer Rechnung abzurechnen. Entgegen den ursprünglichen Plänen sollen auch Sammelrechnungen (auf Monatsbasis) weiterhin möglich sein.  

Im Zuge dessen werden auf EU-Ebene einheitliche digitale Meldepflichten für grenzüberschreitende Transaktionen auf Einzeltransaktionsbasis eingeführt. Dies bedeutet, dass Unternehmen ihre innergemeinschaftlichen Warenlieferungen, Verbringenstatbestände und Dienstleistungen an Unternehmerkunden mit Steuerschuldübergang innerhalb einer Frist von 10 Tagen – auf Basis der mittels der elektronischen Rechnung erzeugten Datensätze – an die Steuerverwaltung melden müssen. Werden aktuell im Rahmen der Zusammenfassenden Meldung lediglich die jeweilige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, die Bemessungsgrundlage und die Art des Geschäfts gemeldet, umfassen die neuen digitalen Meldepflichten weitaus mehr Informationen. Damit einhergehend wird die Zusammenfassende Meldung abgeschafft.

Die mit der Einführung der E-Rechnung angestoßene Digitalisierung gilt es demnach im Hinblick auf die Ausweitung der E-Rechnungsverpflichtungen und Meldepflichten für grenzüberschreitende Geschäftsvorfälle weiter voranzutreiben. Gleichwohl bleibt abzuwarten, inwieweit die Finanzverwaltung ihrerseits die Voraussetzungen für ein funktionierendes Meldesystem schaffen und bereitstellen kann.

2. Plattformwirtschaft: Ausweitung der Liefer- und Leistungskettenfiktion

Bereits jetzt gilt für Warenlieferungen von im Drittland ansässigen Onlinehändlern, die ihre Waren über sogenannte Online-Marktplätze an Privatkunden in Deutschland verkaufen, die sogenannte Lieferkettenfiktion. Demgemäß wird der Online-Marktplatzbetreiber in die Warenlieferung zwischen dem Verkäufer und dem Kunden fiktiv eingebunden und die Lieferung in zwei (fingierte) Lieferungen aufgeteilt. Mittels dieser fingierten Lieferkette soll sichergestellt werden, dass die Umsatzsteuer aus der Warenlieferung an den deutschen Fiskus abgeführt wird, da der Betreiber des Online-Marktplatzes die Umsatzsteuer für seine fiktive Lieferung an den Endkunden gegenüber dem Finanzamt schuldet.

Diese Fiktion soll im Rahmen der ViDA-Initiative ab dem 1. Januar 2027 auf sämtliche Lieferungen, die von im Drittland ansässigen Onlinehändlern über Online-Marktplätze abgewickelt werden, unabhängig vom Status des Leistungsempfängers (B2B, B2C), ausgeweitet werden.   

Darüber hinaus wird das Konzept der fingierten Liefer- bzw. Leistungskette ab Mitte des Jahres 2028 (freiwillig) bzw. ab 1. Januar 2030 (verpflichtend) auch auf Beherbergungs- und Personenbeförderungsplattformen ausgeweitet. So soll die Umsatzbesteuerung der Vermietungs- bzw. Beförderungsleistungen, die gegenwärtig regelmäßig ohne Umsatzsteuer über die entsprechenden Portale angeboten werden, sichergestellt werden. Auch hier wird künftig eine Leistungskette zwischen dem Vermietungs- bzw. Beförderungsdienstleister, dem Plattformbetreiber und dem Kunden fingiert. Analog zur Lieferkettenfiktion wird die fiktive Vermietungs-/Beförderungsleistung des Plattformbetreibers an den Kunden der Umsatzbesteuerung unterworfen, wobei der Plattformbetreiber die Umsatzsteuer gegenüber den Finanzbehörden schuldet.

Die Neuregelung, die zwangsläufig mit Preisanpassungen verbunden sein wird, soll nur dann nicht zur Anwendung kommen, sofern der Vermieter bzw. Fahrer seinerseits mittels entsprechender Eigenschaft die Besteuerung sicherstellt bzw. es sich um einen Kleinunternehmer handelt.

3. Konzept der einzigen Anlaufstelle für die umsatzsteuerliche Registrierung

Sofern Unternehmer global tätig sind und in anderen EU-Mitgliedsstaaten lokale Umsätze tätigen, sind diese oftmals gezwungen, sich in den entsprechenden Ländern für umsatzsteuerliche Zwecke registrieren zu lassen. Damit verbunden ist nicht nur der einmalige, zeit- und mitunter kostenintensive Prozess der Registrierung. Die Unternehmer müssen darüber hinaus auch den jeweiligen laufenden Deklarationsverpflichtungen nachkommen. Da dies aufgrund der unterschiedlichen Vorschriften und sprachlichen Barrieren kaum ohne Unterstützung durch lokale Berater möglich ist, bedeutet dies für die Unternehmer neben dem administrativen Aufwand auch eine nicht zu vernachlässigende Kostenkomponente.  

Ziel der dritten Säule des Maßnahmenpakets ist es, die Anzahl der notwendigen Registrierungen im EU-Ausland und die damit einhergehenden Belastungen für Unternehmer zu reduzieren.

Dies soll durch die Ausweitung des Anwendungsbereichs des Reverse-Charge Verfahrens sowie des One-Stop-Shops (OSS) Verfahrens gelingen.

Demnach soll am 1. Juli 2028 die Steuerschuld für sämtliche Lieferungen und sonstige Leistungen immer dann auf den Leistungsempfänger übergehen, wenn der leistende Unternehmer in dem entsprechenden Mitgliedstaat der Lieferung bzw. sonstigen Leistung nicht ansässig bzw. nicht für umsatzsteuerliche Zwecke registriert ist und der unternehmerische Leistungsempfänger in diesem Mitgliedstaat für umsatzsteuerliche Zwecke erfasst ist.

Ab dem 1. Juli 2028 besteht für EU-Unternehmer die Möglichkeit, lokale Lieferungen über das OSS-Verfahren zu deklarieren. Darüber hinaus wird es künftig möglich sein, innergemeinschaftliche Verbringensvorgänge im Rahmen des OSS-Verfahrens zu deklarieren, so dass die Vereinfachungsregelung für Konsignationslager entbehrlich wird.

Insgesamt sind diese Erleichterungen zu begrüßen. Gleichwohl wird für gewisse Umsätze, wie innergemeinschaftliche Lieferungen oder Ausfuhrlieferungen aus anderen EU-Mitgliedstaaten heraus, weiterhin eine Registrierungsverpflichtung bestehen. Vor diesem Hintergrund ist es ratsam, die internationalen Geschäftsaktivitäten dahingehend zu prüfen, ob diese in den Anwendungsbereich der Neuregelungen fallen und ob man von den Vereinfachungen profitieren kann.

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