Neues aus der Umsatzsteuer

 

1. BMF klärt Zweifelsfragen zur Geschäftsveräußerung im Ganzen im Immobilienbereich

Mit Schreiben vom 16. November 2020 hat das BMF Stellung zur Geschäftsveräußerung im Ganzen nach § 1 Abs. 1a UStG im Immobilienbereich genommen und sich zu einigen Entscheidung des BFH geäußert.

Eine Geschäftsveräußerung im Ganzen liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Bei einer Geschäftsveräußerung im Ganzen liegt – anstelle einer Vielzahl von Einzellieferungen und Einzelleistungen – ein einheitlicher Vorgang vor, der nicht der Besteuerung mit Umsatzsteuer unterliegt. Dafür ordnet § 1 Abs. 1a Satz 3 UStG an, dass der Erwerber an die Stelle des Veräußerers tritt und seine Berichtigungsobjekte nach § 15a UStG übernimmt.

Eine sichere Bewertung, wann die Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen vorliegen, kann – insbesondere bei Immobilientransaktionen – mitunter schwierig sein. Einige der relevanten Abgrenzungskriterien sind nun im Rahmen des BMF-Schreibens geklärt worden.

Mehrstufige Übertragungen
Voraussetzung der Geschäftsveräußerung im Ganzen ist, dass der Erwerber das Unternehmen des Veräußerers fortzuführen beabsichtigt. Das BMF hat sich nun der Entscheidung des BFH in dessen Urteil vom 25. November 2015 (V R 66/14) angeschlossen und sieht es nunmehr nicht als (mehr) erforderlich an, dass die Fortführungsabsicht höchstpersönlich bei jedem Erwerber vorliegt. Damit ist es beispielsweise unschädlich, wenn bei Strukturierungen von Unternehmen zumindest für eine juristische Sekunde das (Vermietungs-) Unternehmen auf eine Gesellschaft übertragen wird, die es weiter zu veräußern beabsichtigt. Sofern beim (Letzt-) Erwerber die erforderliche Fortführungsabsicht besteht, ist der Zwischenerwerb unschädlich.

Erwerbe von Bauträgern
Bei den Erwerben von Bauträgern stellte sich in der Vergangenheit stets die Frage, ob die bestehende Veräußerungsabsicht der Annahme einer Geschäftsveräußerung im Ganzen entgegensteht. Das Geschäftsmodell von Bauträgern oder auch Projektentwicklern sieht in der Regel die Errichtung eines Gebäudes mit dem Ziel einer schnellstmöglichen Veräußerung vor. Zum Zwecke der Steigerung des Veräußerungserlöses werden häufig die Interessenten für die jeweiligen Mieteinheiten direkt durch den Bauträger besorgt; regelmäßig werden mit diesen bereits vor dem Verkauf der Gesamtimmobilie die entsprechenden Mietverträge abgeschlossen. Der BFH hat hierzu bereits im Jahr 2015 geurteilt, dass diese Veräußerungsabsicht der Annahme einer Geschäftsveräußerung im Ganzen nach § 1 Abs. 1a UStG nicht zwingend entgegen steht. Voraussetzung ist jedoch, dass im Zeitpunkt des Besitzübergangs ein hinreichend beständiges Vermietungsunternehmen vorliegt. Dieses soll nach Ansicht des BMF nunmehr bei einer Vermietungsdauer von mindestens 6 Monaten vorliegen.

Diese zeitliche Mindestgrenze dürfte nicht nur bei Erwerben von Bauträgern gelten, sondern allgemein die Richtschnur für die Annahme eines hinreichend beständigen (Vermietungs-) Unternehmens darstellen.

Fraglich bleibt in diesem Zusammenhang, wie sich ein Leerstand bei einigen der Mieteinheiten auswirkt. In dem zugrunde liegen BFH-Urteil waren im Zeitpunkt des Besitzübergangs lediglich 10% der Flächen unvermietet. Dies hat der BFH als unwesentlich qualifiziert und daher dennoch (vollumfänglich) die Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung bejaht. Bei einer Leerstandsquote von mehr als 10% bleibt offen, wann die Grenze der Unwesentlichkeit überschritten ist und daher nur eine Teil-Geschäftsveräußerung anzunehmen sein wird.

Beratungshinweis
Auch wenn das BMF-Schreiben Klarheit in einigen Punkten gebracht hat, sind die Parteien von Immobilientransaktionen gut beraten, in den entsprechenden Steuerklauseln nicht nur die Rechtsfolgen für die ihrer Ansicht nach zutreffende umsatzsteuerliche Qualifikation zu regeln, sondern auch stets eine hilfsweise Regelung im Falle einer anderweitigen Beurteilung durch die Finanzverwaltung aufzunehmen.

2. Umsatzsteuerliche Behandlung von Einzweck- und Mehrzweck-Gutscheinen

Bereits mit Wirkung zum 1. Januar 2019 wurde die unionsrechtliche "Gutschein-Richtlinie" in nationales Recht implementiert. Nunmehr sind die Begriffe "Gutscheine", "Einzweck-Gutscheine" und "Mehrzweck-Gutscheine" in § 13 Abs. 13 – 15 UStG gesetzlich definiert. Mit diesen Vorschriften soll künftig eine einheitliche steuerliche Behandlung von im Binnenmarkt gehandelten Gutscheinen gewährleistet werden.

Mit Schreiben vom 2. November 2020 hat nunmehr auch das BMF Stellung zu den einzelnen Begriffen und ihrer Auslegung genommen.

Gutscheine im Allgemeinen:
Im Allgemeinen versteht man unter Gutscheinen nach § 3 Abs. 13 UStG solche Instrumente, die vom Berechtigten ganz oder teilweise anstelle einer regulären Geldzahlung als Gegenleistung zur Einlösung gegen Gegenstände oder sonstige Leistungen verwendet werden können. Instrumente, die lediglich zu einem Preisnachlass berechtigen, fallen hingegen nicht unter diese Regelung.

Über den Wortlaut des Gesetzes hinaus sollen laut BMF-Schreiben die Gutscheine eindeutig als Einzweck- oder Mehrzweckgutschein gekennzeichnet werden. Auf diese vom leistenden Unternehmer vorzunehmende rechtliche Einordnung sollen die Empfänger oder nachfolgenden Unternehmer in einer Leistungskette vertrauen können, soweit sie keine Kenntnis davon haben, dass die rechtliche Einordnung bzw. Kennzeichnung des Gutscheins zu Unrecht erfolgte. Erfolgt diese Kennzeichnung nicht, hat das für die ausgebenden Unternehmer keine Auswirkung. Wichtig ist jedoch, dass die umsatzsteuerliche Einordnung zutreffend erfolgt, da damit unterschiedliche umsatzsteuerliche Behandlungen einhergehen.

Einzweck-Gutschein:
Für die Annahme eines Einzweck-Gutscheins müssen gemäß § 3 Abs. 14 Satz 1 UStG

  • der Ort der Leistung und
  • die geschuldete Steuer

im Zeitpunkt der Ausgabe des Gutscheins bekannt sein. Sofern es für die Ortsbestimmung relevant ist, ob der Empfänger der Leistung umsatzsteuerlicher Unternehmer oder kein Unternehmer ist, muss auch dies feststehen. Denn Einzweck-Gutscheine sind im Zeitpunkt ihrer Ausgabe oder Übertragung an einen anderen Unternehmer zu besteuern; zu diesem Zeitpunkt muss daher der anzuwendende Steuersatz und der Staat, dem das Steueraufkommen zustehen soll, feststehen. Die spätere Gutscheineinlösung hingegen ist umsatzsteuerlich nicht mehr relevant.

Beispiel 1:
Ein Fahrradhandel mit mehreren Filialen in Deutschland gibt seinen Kunden Gutscheine im Wert von EUR 100 aus. Die Gutscheine können auf alle im Sortiment befindlichen Fahrräder in einer beliebigen Filiale angerechnet werden.

  • Da der Leistungsort (Deutschland) sowie der Steuerbetrag (19%) hinreichend bestimmt sind, handelt es sich um einen Einzweck-Gutschein.

Über den Wortlaut des Gesetzes hinaus müssen nach Ansicht der Finanzverwaltung auch die Identität des leistenden Unternehmers sowie die Gattung der Leistung in dem Einzweck-Gutschein bezeichnet werden. Sofern möglich, sollten – um Beanstandungen seitens der Finanzverwaltung zu vermeiden – diese Angaben in dem Einzweck-Gutschein enthalten sein.

Mehrzweck-Gutschein:
Alle Gutscheine, die nicht unter die Definition eines Einzweck-Gutscheins fallen, sind Mehrzweck-Gutscheine (vgl. § 3 Abs. 15 UStG). Da bei Ausgabe des Gutscheins der Ort der Leistung und/oder die geschuldete Steuer noch nicht endgültig feststehen, unterliegen diese erst bei Einlösung des Gutscheins der Umsatzsteuer. Die Ausgabe des Gutscheins ist hingegen unbeachtlich.

Beispiel 2:
Der Fahrradhandel besitzt europaweit Filialen. Auch hier kann der Gutschein über EUR 100 in einer beliebigen Filiale im In- und Ausland eingelöst werden.

  • Da im Zeitpunkt der Ausgabe des Gutscheins noch nicht feststeht, in welchem Mitgliedstaat der Gutschein eingelöst wird, und damit auch der Steuerbetrag noch nicht feststeht, handelt es sich um einen Mehrzweckgutschein.


Fazit:
Unternehmer, die Gutscheine ausgeben, sollten ihre umsatzsteuerliche Behandlung auf die neuen Vorgaben des BMF hin überprüfen und – sofern nötig – anpassen. Insbesondere wenn die Gutscheine im Rahmen von Vertriebsketten ausgegeben werden, können die Ausführungen des BMF-Schreibens (mit zahlreichen Beispielen) hilfreich sein. Regelmäßig dürfte die Ausgabe von Mehrzweck-Gutscheinen für den Unternehmer vorteilhaft sein, da bei Nichteinlösung keine Umsatzsteuer anfällt. Hingegen unterliegt der erhaltene Betrag bei Einzweck-Gutscheinen bereits bei Ausgabe eines Gutscheins der Besteuerung unabhängig davon, ob er tatsächlich eingelöst wird.

Die Verwaltungsanweisung ist erstmals ab 1. Januar 2019 anzuwenden. Innerhalb einer Übergangsfrist bis zum 2. Februar 2021 kann jedoch von der Anwendung abgesehen werden.

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