BFH erlaubt Widerruf der Umsatzsteueroption bei Immobilienverkäufen

Hintergrund

Die Veräußerung von Grundstücken ist – sofern die Voraussetzungen für eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen nicht vorliegen – steuerfrei, § 4 Nr. 9 a UStG. Der Veräußerer hat jedoch die Möglichkeit zur Umsatzsteuerpflicht nach § 9 Abs. 1 UStG zu optieren, sofern der Erwerber ein umsatzsteuerlicher Unternehmer ist, der das Grundstück für sein Unternehmen erwirbt. Gemäß § 9 Abs. 3 UStG ist die Option nur im Rahmen der notariellen Vertragsurkunde zulässig.

Der BFH hat hierzu bereits im Jahr 2015 (BFH v. 21. Oktober 2015 - XI R 40/13) konkretisiert, dass dies nur die Kaufvertragsurkunde sein darf; eine nachträgliche Option zur Umsatzsteuerpflicht – beispielsweise im Rahmen einer Nachtragsurkunde – ist damit nicht zulässig. Die Finanzverwaltung hat sich dieser Ansicht angeschlossen und darüber hinaus festgelegt, dass Gleiches auch für den Widerruf einer erklärten Option zur Umsatzsteuerpflicht gelten solle. Damit war faktisch ein nachträglicher Widerruf der Option komplett ausgeschlossen.

Entscheidung des BFH

In seiner Entscheidung vom 2. Juli 2021 hat der BFH dieser Ansicht eine Absage erteilt.

In dem zugrunde liegenden Sachverhalt hatte die Klägerin mit notariell beurkundetem Grundstückskaufvertrag im Jahr 2009 ein Gebäude erworben. Das auf dem Grundstück stehende Gebäude sollte saniert und dann steuerpflichtig weiterveräußert werden. Die Verkäuferin verzichtete im Rahmen des Kaufvertrages auf die Steuerbefreiung und optierte zur Umsatzsteuerpflicht. Die Klägerin meldete für das Jahr 2009 entsprechend Umsatzsteuer nach § 13b UStG an und machte wegen beabsichtigter Verwendung für Abzugsumsätze (§ 15 UStG) in voller Höhe den Vorsteuerabzug geltend. Später wurde das Investitionsobjekt jedoch weitgehend umsatzsteuerfrei (§ 4 Nr. 9 a UStG) verkauft. Um eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 2 UStG zu verhindern, erwirkte die Klägerin, dass die Verkäuferin mit einer Nachtragsurkunde den ursprünglichen Verzicht auf die Steuerbefreiung zurücknahm.

Das Finanzamt hielt den Widerruf des Verzichts für unwirksam und vertrat die Auffassung, der vorgenommene Vorsteuerabzug sei gemäß § 15a Absatz 2 UStG zu berichtigen. Ein Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg. Der dagegen erhobenen Klage gab das Finanzgericht Baden-Württemberg statt.

Der BFH bestätigte die Wertung des Finanzgerichts; das Finanzgericht habe im Ergebnis zu Recht den Widerruf des Verzichts auf die Steuerbefreiung als wirksam erachtet. Der Verzicht könne zurückgenommen werden, solange die Steuerfestsetzung für das Jahr der Leistungserbringung anfechtbar oder aufgrund eines Vorbehalts der Nachprüfung gemäß § 164 AO noch änderbar war.

Dem stünde auch § 9 Abs. 3 UStG nicht entgegen. Denn diese regle explizit nur den Verzicht, nicht aber den Widerruf der Option. Der Grundsatz, dass sowohl die Option als auch der Widerruf der Option in gleicher Weise auszuüben seien, gelte nicht, ansonsten wäre der Widerruf des Verzichts faktisch ausgeschlossen. Zudem führe der Widerruf nicht zu einer Belastung, sondern bewirke eine Entlastung des Leistungsempfängers. Steuerausfälle drohten ebenfalls nicht, denn es entfalle nicht nur die Steuerlast beim Empfänger, sondern ggf. gleichzeitig dessen Recht zum Vorsteuerabzug.

Auswirkungen für die Praxis

Begrüßenswert ist, dass der BFH sich gegen die Ansicht der Finanzverwaltung gestellt und einen Widerruf der Option im Rahmen der verfahrensrechtlichen Grenzen zulässt. Es bleibt zu hoffen, dass die Finanzverwaltung zeitnah ihre Rechtsansicht in dieser Sache revidiert.

Eine Rücknahme des Verzichts auf die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 und Abs. 3 UStG ist keine Seltenheit, denn oftmals ändert sich die ursprünglich beim Erwerb der Immobilie beabsichtigte Nutzung. Dies kann sowohl der Fall bei beabsichtigter Veräußerung sein, insbesondere bei sog. Forward Deals, bei denen ein Immobilienunternehmen eine noch nicht fertiggestellte Immobilie bereits an einen Investor veräußert. Ändert sich die Nutzungsabsicht des Investors nach Fertigstellung der Immobilie, kann eine bereits geltend gemachte Vorsteuer aus dem Erwerb erhebliche Vorsteuerrückzahlungen nach § 15a UStG zur Folge haben. Gleiches gilt auch bei Vermietungen. Wurde das Gebäude mit dem Ziel einer steuerpflichtigen Vermietung erworben und wird tatsächlich steuerfrei – beispielsweise an eine Bank, eine Versicherung oder eine Verwaltungseinrichtung – vermietet, hätte auch hier die abweichende Nutzung eine Korrektur nach § 15a UStG zur Folge.

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