Die möglichen Folgen eines Brexits auf den HGB-Jahresabschluss und den Lagebericht

Einleitung

Trotz jahrelanger Verhandlungen zwischen der Europäischen Union (EU) und Großbritannien (GB) sowie einer Verlängerung der Frist für den EU-Austritt Großbritanniens auf Ende Januar 2020 sind der Ausgang und die Folgen des Austrittsabkommens nicht klar abzusehen.

Deutlich zu erkennen ist jedoch bereits der Einfluss dieser Unsicherheiten seit dem Referendum im Jahr 2016. Drohende Handelshemmnisse führen teilweise zu zurückgehenden Investitionen in GB und der Umsiedlung von britischen Niederlassung deutscher Konzerne in andere europäische Staaten. Ein Ende der Unsicherheiten ist momentan nicht absehbar, so dass davon auszugehen ist, dass sich der Brexit erheblich auf die Jahresabschlüsse des Jahres 2019 betroffener Unternehmen auswirken wird.

Im diesem Beitrag werden wir unseren Fokus auf die folgenden Bereiche des Jahresabschlusses und Lageberichts legen, welche von den Auswirkungen des Brexits betroffen sein können:

  • Bewertung von Anlage- und Umlaufvermögen sowie Rückstellungsbildung auf Grund des Brexits
  • Inhaltliche Auswirkungen auf den Lagebericht

A. Auswirkungen auf die Bilanz

Planmäßige Abschreibungen im Anlagevermögen

Gemäß § 253 Abs. 3 Satz 1 ff. HGB müssen Vermögensgegenstände des Anlagevermögens (AV), deren Nutzung zeitlich begrenzt ist, planmäßig über die Nutzungsdauer abgeschrieben werden.

Als Folge des Brexits können sich durch wirtschaftliche, rechtliche oder sonstige Faktoren die Abschreibungsdauer der Vermögensgegenstände des Anlagevermögens verkürzen (z.B. durch verkürzte Produktlebenszyklen, Restrukturierungspläne).

Die Änderung des Abschreibungsplans hat zu Folge, dass zum einen der Restbuchwert auf die verbleibende Restnutzungsdauer verteilt wird, zum anderen besteht eine Berichtspflicht im (Konzern-) Anhang gem. § 284 Abs.2 Nr.1 bzw. § 313 Abs.1 Satz 3 Nr. 1 HGB über die geänderte Nutzungsdauer.

Beispiel:

Die „ABC GmbH“ stellt aufgrund der erwarteten erschwerten Marktbedingungen auf Grund des Brexits ihre Geschäftstätigkeit (Recycling) zum 31. Dezember 2020 am Standort Großbritannien ein. Aufgrund dessen muss bei einer Sortiermaschine mit einer geplanten ND von 10 Jahren bis zum 31. Dezember 2022 und einem Restbuchwert von 10.000 € zum 31.Dezember 2018 die Abschreibungsdauer angepasst werden. Es bleibt eine verkürzte Restnutzungsdauer von zwei Jahren und eine Abschreibung welche sich wie folgt berechnet:

Die geänderte planmäßige Abschreibung im Jahr 2019 beläuft sich nun auf einen Wert von 5.000 € und somit beträgt der Restbuchwert zum Stichtag 31. Dezember 2019 5.000 €.

Außerplanmäßige Abschreibungen im Anlage- und Umlaufvermögen

Auch Rückgänge in der Nachfrage von Produkten können Folgen des Brexits sein.

Beim Anlagevermögen gilt das gemilderte Niederstwertprinzip (§ 253 Abs. 3 Satz 5 HGB), welches besagt, dass nur bei dauerhaften Wertminderungen (d.h. Buchwert [gt] Zeitwert) eine Abschreibungspflicht besteht. Bei voraussichtlich nur vorrübergehenden Wertminderungen besteht ausschließlich bei Finanzanlagen ein Abschreibungswahlrecht, bei Immateriellen Vermögensgegenständen und Sachanlagen jedoch ein Abschreibungsverbot.

Im Gegensatz dazu gilt bei Umlaufvermögen (UV) das strenge Niederstwertprinzip (§ 253 Abs. 4 HGB), welches eine Abschreibungspflicht bereits bei vorübergehenden Wertminderungen vorsieht.

Im Folgenden werden einige Punkte aufgeführt, bei denen es zu einem Verlust der Werthaltigkeit als Folge des Brexits kommen kann:

  • Immaterielles Anlagevermögen: Werthaltigkeit von erworbenen Geschäfts- und Firmenwerten auf Grund von rechtlichen Änderungen bzw. potentiellen Nachfragerückgängen
  • Sachanlagevermögen: Geringerer Zeitwert auf Grund von Stilllegung von Produktionen bzw. geringerer Auslastung durch rückläufige Nachfrage
  • Finanzanlagevermögen: Werthaltigkeit der Beteiligung an britischer Tochtergesellschaft wegen verschlechterter Umsatz-/Ergebnisprognosen
  • Vorräte: Abschreibungsbedarf von Erzeugnissen für den britischen Markt wegen Preis- oder Absatzverschlechterung
  • Wertpapiere des Umlaufvermögens: Verringerter Aktienkurs aufgrund der Brexit-Verhandlungen

Beispiel:

Die „ XY GmbH“ stellt Plastikflaschen her, welche den europäischen Normen entsprechen. Durch den Brexit werden von nun andere Flaschen in GB verwendet, daher kann die Sortiermaschine nicht mehr eingesetzt werden. Da es aktuell keine Kaufinteressenten gibt wird der beizulegende Zeitwert mit 0 € bemessen, der Restbuchwert zum 31. Dezember 2018 betrug 18.000 €.

Da von einer dauerhaften Wertminderung auszugehen ist die „XY GmbH“ im Jahresabschluss 2019 dazu verpflichtet eine außerplanmäßige Abschreibung in Höhe von 18.000 € vorzunehmen.

Restrukturierungsrückstellung

Ausgelöst durch den Brexit kann es zu Verlagerungen von z.B. Betriebstätten oder Tochtergesellschaften aus Großbritannien sowie zu Umstrukturierungen bei international agierenden Konzernen kommen.

Durch die entsprechenden Umstrukturierungsmaßnahmen können zusätzliche Kosten entstehen.

Gem. § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB ist ein Unternehmen dazu verpflichtet, eine Rückstellung für ungewissen Verbindlichkeiten zu bilden, wenn:

  • Die Außenverpflichtungen, in diesem Fall die Verlagerung/Umstrukturierung hinreichend konkretisiert ist,
  • das Bestehen und/oder die Höhe ungewiss ist,
  • und die rechtliche Entstehung oder die wirtschaftliche Verursachung vor dem Stichtag erfolgt.

Hierbei zu beachten ist, dass interne Beschlüsse hierbei unbeachtlich sind; es müssen externe Verpflichtungen durch entsprechende bindende Vereinbarungen bestehen.

Drohverlustrückstellungen

Gem. § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB muss für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften eine Rückstellung gebildet werden. Grundsätzlich dürfen schwebende Geschäfte nicht bilanziert werden, jedoch müssen auf Grund des „Vorsichtsprinzips“ (§ 252 Abs.1 Nr. 4 HBG) im Jahresabschluss für zukünftig ernsthaft und objektiv erwartete Verluste Rückstellungen gebildet werden, soweit der Wert eigenen Verpflichtung den Wert des Anspruchs auf die Gegenleistung übersteigt.

Beispiel:

Die „Mustermann GmbH“ hat einen Liefervertrag mit einer britischen Gesellschaft über die Lieferung von 1000 Bohrmaschinen zum Preis von insgesamt 50.000 € abgeschlossen. Die Auslieferung soll im Februar 2020 stattfinden. Veranschlagt wurde ein Gewinn von 10.000 €.

Aufgrund des Brexits muss die „Mustermann GmbH“ davon ausgehen, dass dem schwebenden Geschäft in Folge von Handelshemmnissen wie Zöllen kein Gewinn, sondern ein Verlust in Höhe von 20.000 € bevorsteht.

In diesem Fall muss eine Drohverlustrückstellung i.H. von 20.000 € gebildet werden, da:

  • Ein schwebendes Geschäft zum 31. Dezember 2019 vorliegt,
  • Der Verlust von 20.000 € erst in 2020 eintritt (in 2019 noch nicht realisiert) und
  • Es sich um einen Vertrag mit Anspruch und Gegenleistung handelt.

B. (Konzern-) Lagebricht

Gem. § 289 Abs. 1 Satz 1 bzw. § 315 Abs. 1 Satz 1 HGB sind im Lagebricht Angaben zum Geschäftsverlauf, des Geschäftsergebnisses sowie der der Lage des Unternehmens zu machen. Wichtig hierbei ist die Darstellung der tatsächlichen Verhältnisse der Vermögens- Finanz und Ertragslage sowie die Erläuterung und Beurteilung der zukünftigen Entwicklung unter Berücksichtigung der Chancen und Risiken.

Die potentiellen Auswirkungen des Brexit können somit zu entsprechenden Angabepflichten im Lagebericht 2019 führen, z.B. für folgende Beispiele:

  • Veränderung des Standorts, Veränderung des Geschäftsmodells/Strategien
  • Einflüsse des Brexits z.B. durch außerplanmäßige Abschreibungen, Rückstellungen, Wechselkurse auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage
  • Auswirkungen auf die Chancen und Risiken und den Prognosebericht
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