Erleichterungen bei der Aufstellung, Prüfung und Offenlegung von Jahresabschlüssen

Grundlagen

Kapitalgesellschaften, die als Tochterunternehmen in den Konzernabschluss ihres Mutterunternehmens mit Sitz in der Europäischen Union oder einem EWR-Staat einbezogen werden, können unter bestimmten Voraussetzungen (gem. § 264 Abs. 3 HGB) Erleichterungen in Anspruch nehmen, welche die Aufstellung, Prüfung und Offenlegung ihres Jahresabschlusses und ggfs. des Lageberichts betreffen. Bei Inanspruchnahme der Erleichterungen sind für den Jahresabschluss lediglich die Vorschriften anzuwenden, die für alle Kaufleute gelten (§§ 238 bis 256a HGB). Nicht aufgehoben werden jedoch bei vorliegenden Befreiungsvorrausetzungen die Konzernrechnungslegungsvorschriften gem. §§ 290 ff HGB.

Ähnliche Regelungen gibt es für Personenhandelsgesellschaften (i.S.d. § 264a HGB und nach § 264b HGB) und Unternehmen, die unter das PublG fallen (gem. § 5 Abs. 6 PublG), die im Folgenden jedoch nicht näher beleuchtet werden.

Möglichkeiten der Befreiung

Konkret sieht das Gesetz bei vorliegenden Voraussetzungen des § 264 Abs. 3 HGB die folgenden Befreiungen bzw. Erleichterungen vor (vorbehaltlich entgegenstehender gesellschaftsrechtlicher Sonderregelungen):

  • Von der zeitlichen Vorgabe den Jahresabschluss innerhalb von drei Monaten (bei Kleinstkapitalgesellschaften innerhalb von sechs Monaten) nach dem Stichtag aufzustellen. Stattdessen wird die Aufstellungsfrist des § 243 Abs. 3 HGB angewandt, welche eine Frist von einem Jahr nach dem Stichtag vorgibt
  • Von der Aufstellung eines Anhangs (§§ 284-288 HGB), der Jahresabschluss besteht somit nur aus Bilanz und GuV
  • Von der Aufstellung eines Lageberichts (§ 289 HGB) (einschließlich eines ggf. zu erstellenden Entgeltberichts nach §§ 21 f. EntgTranspG)
  • Von der Anwendung besonderer Ansatz-, Gliederungs- und Ausweisvorschriften für Kapitalgesellschaften (§§ 264-277 HGB)
  • Von der Pflicht zur Prüfung (§§ 316-323) und Offenlegung (§§ 325-329) des Jahresabschlusses und des Lageberichts

Falls auf die Aufstellung des Anhangs verzichtet wird, bezieht sich die Befreiung auch auf die rechtsformspezifischen Angabepflichten, wie z.B. § 160 AktG. Sonstige rechtsformbezogene Angabepflichten (wie die Angaben zum Deutschen Corporate Governance Kodex nach § 161 AktG) bleiben davon jedoch unberührt. Wahlpflichtangaben (sofern diese Anwendung finden) sind beim Verzicht zur Aufstellung des Anhangs in die Bilanz und GuV aufzunehmen. Pflichtangaben, die alle Kaufleute betreffen, sind im Falle eines Verzichts des Anhangs unter der Bilanz anzugeben.

Grundsätzlich sind Kapitalgesellschaften frei in ihrer Entscheidung, ob alle oder nur einzelne Erleichterungen in Anspruch genommen werden sollen. Es gilt jedoch zu beachten, dass die Entscheidungsfreiheit durch satzungs- bzw. gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen eingeschränkt werden kann, um z.B. den Schutz der Gesellschafter zu gewährleisten (bspw. durch gesellschaftsvertragliche Regelung einer Pflicht zur Prüfung des Jahresabschlusses unabhängig von der Größe der Gesellschaft).

Die Voraussetzungen gem. § 264 Abs. 3 Satz 1 HGB im Einzelnen

Eine wirksame Inanspruchnahme der Erleichterungen des § 264 Abs. 3 HGB ist erst dann gegeben, wenn alle Voraussetzungen kumulativ erfüllt worden sind.

Übersicht der kumulativen Voraussetzungen:

1. Einbeziehung des TU

Die zu befreiende Kapitalgesellschaft muss tatsächlich in den Konzernabschluss des Mutterunternehmens (beliebige Rechtsform und Sitz in der EU oder EWR-Vertragsstaat) im Rahmen der Vollkonsolidierung einbezogen werden. Sollte anstatt der Vollkonsolidierung eine Einbeziehung mittels Equitybewertung oder Quotenkonsolidierung vollzogen werden, sind die Voraussetzungen nicht erfüllt. Gleiches gilt falls auf die Einbeziehung unter Ausnutzung eines Konsolidierungswahlrechts nach § 296 HGB verzichtet wird.


2. Zustimmung der Gesellschafter zur Befreiung (§ 264 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 HGB)


Eine weitere Voraussetzung beschreibt die Zustimmung aller Gesellschafter der Kapitalgesellschaft über die Befreiung für das jeweilige Geschäftsjahr. Die Zustimmung hat grundsätzlich durch einen Gesellschafterbeschluss zu erfolgen, der einstimmig von allen Gesellschaftern (ggf. im Umlaufverfahren) zu fassen ist. Exakte rechtliche Anforderungen an den Inhalt sowie eine gesetzliche Frist zur Beschlussfassung (jedoch so früh wie möglich) gibt es nicht.


3. Einstandspflicht für die Verpflichtungen des Tochterunternehmens (§ 264 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 HGB)


Dies ist die zentrale Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Erleichterungen und dient dem Schutz der Gläubiger der zu befreienden Kapitalgesellschaft. Seitens des Mutterunternehmens ist für das auf die Inanspruchnahme folgende Geschäftsjahr eine Einstandsverpflichtung für die Verpflichtungen der Kapitalgesellschaften abzugeben.
Dabei ist der Begriff Verpflichtungen weit auszulegen und umfasst neben den am Abschlussstichtag bilanzierten Schulden auch Eventualverbindlichkeiten sowie Verpflichtungen aus am Abschlussstichtag schwebenden Geschäften.

Gängige Mittel zur Erfüllung der Einstandspflicht sind:

      • die Abgabe einer harten Patronatserklärung durch das Mutterunternehmen gegenüber dem Tochterunternehmen
      • Verlustübernahmeverpflichtung gem. § 302 AktG.
      • Erklärung einer isolierten Verlustübernahme für das betreffende Geschäftsjahr. Die erklärte Verlustübernahmeverpflichtung muss inhaltlich der des § 302 AktG entsprechen

Nicht ausreichend ist hingegen beispielsweise eine Nachschusspflicht, wie sie sich unter anderem aus §§ 26 ff. GmbHG ergibt.

Die Einstandsverpflichtung muss das gesamte Geschäftsjahr, das auf das Jahr der Befreiung folgt, umfassen.

Zeitlich muss die Einstandsverpflichtung nicht bereits zu Beginn des auf die Inanspruchnahme der Befreiungen folgende Geschäftsjahr bestehen sondern kann auch nachträglich eingegangen werden.

Besonderheiten sind bei mehrstufigen Konzernverhältnissen zu beachten. Hier muss gewährleistet sein, dass die Einstandspflicht das Mutterunternehmen trifft, das auch den Konzernabschluss aufstellt. Dies kann einerseits durch eine unmittelbare Erklärung der Einstandspflicht des Mutterunterunternehmens gegenüber den (auch nur mittelbaren) Tochterunternehmen erfolgen. Andererseits genügt es auch, wenn eine geschlossene Kette von Verlustübernahmeverpflichtungen vom obersten Mutterunternehmen zu der zu befreienden Kapitalgesellschaft besteht.

Aufstellung und Prüfung des Konzernabschlusses und Konzernlageberichts im Einklang mit EU-Recht (§ 264 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 HGB)

Der befreiende Konzernabschluss- und Lagebericht des Mutterunternehmens muss nachdem für ihn geltenden Gesetzen und im Einklang mit dem EU-Recht aufgestellt und geprüft werden.


4. Angabe der Befreiung im Konzernanhang (§ 264 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 HGB)


Die Befreiung des Tochterunternehmens (unter Angabe von Firma und Sitz) muss für jedes Jahr im Anhang des von dem Mutterunternehmen aufgestellten Konzernabschluss angegeben werden. Das Ausmaß der Erleichterungen ist dagegen nicht angabepflichtig.


5. Offenlegung der zur Befreiung erforderlichen Unterlagen für das Tochterunternehmen (§264 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 HGB)


Materielle Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Erleichterungen ist die Offenlegung folgender Unterlagen und Erklärungen nach § 325 Abs. 1 bis 1b HGB:

    • Gesellschafterbeschluss
    • Erklärung Haftungs-/Verlustübernahme
    • Konzernabschluss, Konzernlagebericht und der dazu erteilte Bestätigungsvermerk

Die Unterlagen sind in deutscher oder ggf. auch englischer Sprache in elektronischer Form beim Bundesanzeiger einzureichen.

Bezüglich des Gesellschafterbeschlusses nach § 264 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 HGB muss lediglich die Tatsache offengelegt werden, dass die Gesellschafter der Inanspruchnahme der Befreiung für ein bestimmtes Geschäftsjahr zugestimmt haben, aber nicht dessen Wortlaut. Des Weiteren ist eine Angabe der Einschränkungen der Befreiungen auch nicht zwingend offenzulegen.

Bezüglich der Erklärungen (z.B. harte Patronatserklärungen) aus der sich die Einstandspflicht des Mutterunternehmens für die Verpflichtungen der Kapitalgesellschaften ergeben, bestehen im Schrifttum unterschiedliche Meinungen darüber, ob diese im Wortlaut offengelegt werden müssen. Einig ist man sich hingegen, wenn sich die Einstandspflicht aus einer Verlustübernahmeverpflichtung nach § 302 AktG ergibt. Dann darf auf den genauen Wortlaut, aber nicht auf den Hinweis des Bestehens der Verlustübernahmeverpflichtung, verzichtet werden.


Zeitlich müssen die genannten Tatbestandsvoraussetzungen grundsätzlich dann erfüllt sein, wenn von den relevanten Erleichterungen Gebrauch gemacht werden soll, d.h. dass z.B. bei Verzicht auf die Aufstellung von Lagebericht und Anhang die Voraussetzungen bei Aufstellung erfüllt sein müssen. Soll jedoch nur auf die Offenlegung verzichtet werden, reicht es aus, wenn die Voraussetzungen bis zum Ende der Offenlegungsfrist erfüllt sind.



Offenlegung der Unterlagen durch das Mutterunternehmen

Die Offenlegung der Befreiungsunterlagen obliegt grundsätzlich dem gesetzlichen Vertreter des Tochterunternehmens. Gemäß § 264 Abs. 3 S. 2 HGB dürfen die (oben unter 5. aufgeführten) benötigten Unterlagen vollumfänglich oder teilweise auch durch das Mutterunternehmen für das Tochterunternehmen übernommen werden, damit Mehrfachoffenlegungen derselben Unterlagen vermieden werden. Voraussetzung ist jedoch, dass die Unterlagen im Bundesanzeiger unter der Firma des Tochterunternehmens auffindbar sind.

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