Zum Zeitpunkt der steuerlichen Berücksichtigung der Zahlung aufgrund einer Earn-Out-Klausel

Mit Urteil vom 30. März 2021 hat das FG Rheinland-Pfalz entschieden, dass bei der Vereinbarung einer gewinn- oder umsatzabhängigen Earn-Out-Zahlung im Rahmen der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils hinsichtlich der Besteuerung ausnahmsweise auf die Realisation des Veräußerungsentgelts abzustellen ist.

Rechtsprechung des BFH

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH erfolgt die Besteuerung eines Veräußerungsgewinns im Entstehungszeitpunkt. Dies ist regelmäßig der Zeitpunkt der Veräußerung, sprich der Zeitpunkt in dem das rechtliche oder zumindest das wirtschaftliche Eigentum auf den Erwerber übergeht. Hierbei sind etwaige Vereinbarungen hinsichtlich der Zahlung des Kaufpreises – bspw. sofortige Fälligkeit, Ratenzahlung oder langfristige Stundung – nicht zu beachten, da es laut BFH auf den Zufluss von Entgelt nicht ankommt.

Hat der Erwerber seine Gegenleistung noch nicht erbracht, so sind – zur Sicherstellung einer sachgerechten Besteuerung auf den tatsächlichen Erlös trotz der stichtagsbezogen vorzunehmenden Ermittlung des Veräußerungsgewinns – sämtliche Änderungen zwischen der Begründung der Forderung auf die Gegenleistung und deren Erfüllung zu berücksichtigen. Die Gründe für eine solche Veränderung des Kaufpreises bleiben dabei unberücksichtigt. Laut BFH liegt eine solche zu berücksichtigende Änderung bspw. dann vor, wenn ein gestundeter Kaufpreis wegen einer in einem späteren Veranlagungszeitraum geschlossenen Rücktrittsvereinbarung nicht mehr entrichtet wird (vgl. BFH v. 21. Dezember 1993, VIII R 69/88, BStBl. II 1994, 648) oder wenn eine gestundete Kaufpreisforderung in einem späteren Veranlagungszeitraum ganz oder teilweise uneinbringlich wird (vgl. BFH v. 19. Juli 1993, GrS 2/92, BStBl. II 1993, 897).

Zu beachten ist, dass eine Veränderung des tatsächlichen Kaufpreises im Anschluss an die Zahlung desselben durch den Erwerber grundsätzlich keinen Einfluss mehr auf die Ermittlung des Veräußerungsgewinns hat, es sei denn, der Grund für diese Änderung war bereits im ursprünglichen Rechtsgeschäft angelegt. Hierbei ist laut BFH die Annahme eines solchen rückwirkenden Ereignisses grundsätzlich weit auszulegen. Beispielsweise liegt ein solcher Fall dann vor, wenn die nachträgliche Veränderung des Kaufpreises daraus resultiert, dass dem Veräußerungsvorgang selbst ein Mangel – z.B. in Form einer zivilrechtlich beachtlichen Leistungsstörung – anhaftet (vgl. BFH v. 19. April 2005, VIII R 68/04, BStBl. II 2005, 762). Eine Berücksichtigung hat laut BFH auch dann zu erfolgen, wenn der Kaufpreis aufgrund des Fehlens oder des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zurückgezahlt werden muss, die Höhe des Kaufpreises im Übertragungszeitpunkt noch nicht abschließend vereinbart wurde oder eine zwischen den Parteien vereinbarte auflösende Bedingung eintritt (vgl. BFH v. 28. Oktober 2009, IX R 17/09, BStBl. II 2010, 539; BFH v. 14. Juni 2005, VIII R 14/04, BStBl. II 2006, 15; BFH v. 19. August 2003, VIII R 67/02, BStBl. II 2004, 107). Eine derartige Rückwirkung auf den Veräußerungszeitpunkt tritt nicht ein, wenn der nach Erfüllung der Gegenleistung durch den Erwerber geleisteten Zahlung ein rechtlich und wirtschaftlich selbstständiges Rechtsgeschäft zugrunde liegt, welches nicht in einem sachlichen Zusammenhang mit der Veräußerung des Anteils steht. Dies ist laut BFH bspw. dann der Fall, wenn ein Wirtschaftsprüfer wegen eines fehlerhaften Bestätigungsvermerks im Rahmen eines Vergleichs Schadensersatz an den Erwerber von Geschäftsanteilen leistet (vgl. BFH v. 4. Oktober 2016, IX R 8/15, BStBl. II 2017, 316) oder die Vertragsparteien im ursprünglichen Kaufvertrag eine Besserungsoption vereinbaren, welche dem Verkäufer ein Optionsrecht auf Abschluss eines Änderungsvertrags zum Kaufvertrag mit dem Ziel einer nachträglichen Beteiligung an der Wertentwicklung des Kaufgegenstands einräumt und dieses Optionsrecht später ausgeübt wird (vgl. BFH v. 23. Mai 2012, IX R 32/11, BStBl. II 2012, 675).

Laut ständiger Rechtsprechung des BFH sind diese allgemeinen Grundsätze nicht anzuwenden, wenn die Parteien bzgl. des Kaufpreises eine gewinn- oder umsatzabhängige Vereinbarung treffen. In diesem Fall ist ausnahmsweise auf die Realisation des Veräußerungsentgelts im Zeitpunkt des Zuflusses abzustellen. Begründet wird dies damit, dass eine Sofortversteuerung in solchen Fällen dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit sowie dem handelsrechtlichen Realisationsprinzip des § 252 Abs. 1 Nr. 4 HS 2 HGB widerspricht. Laut BFH liegen insoweit aufschiebend bedingte Kaufpreisansprüche nach § 158 Abs. 1 BGB vor, da sowohl Entstehung als auch Höhe des Anspruchs ungewiss sind.

Als gewinn- oder umsatzabhängige Kaufpreisforderungen in diesem Sinne hat der BFH u.a. anerkannt:

  • Abtretung von künftigen Gewinnanteilen aus dem Gewinnbezugsrecht des Erwerbers
    (BFH vom 27. Oktober 2015, VIII R 47/12, BStBl. II 2006, 600);
  • Zahlung eines prozentualen Anteils des auf die veräußerte Beteiligung entfallenden Gewinnanteils auf Lebenszeit (BFH vom 14. Mai 2002, VIII R 8/01, BStBl. II 2002, 532);
  • Variabler Kaufpreis in Abhängigkeit der tatsächlich verkauften Anzahl eines Produkts in einem festgelegten Zeitraum (BFH vom 19. Dezember 2018, I R 71/16, BStBl. II 2019, 493).

FG Rheinland-Pfalz vom 30. März 2021 - 5 K 2442/17

Im konkreten Fall wurden sowohl der Anteil als Kommanditist einer GmbH [&] Co.KG als auch sämtliche Anteile an der dazugehörigen Komplementär-GmbH veräußert. Im notariellen Kaufvertrag wurde festgelegt, dass der Kommanditanteil im Wege der Sonderrechtsnachfolger mit schuldrechtlicher Wirkung zum Ablauf des 30. Juni („Übertragungsstichtag“) auf den Erwerber übergeht. Die dingliche Übertragung des Kommanditanteils war aufschiebend bedingt durch die Zahlung des Kaufpreises und die Eintragung des Erwerbers als Kommanditist im Wege der Sonderrechtsnachfolge in das Handelsregister. Die Veräußerung der GmbH-Anteile erfolgte wirtschaftlich zum Übertragungsstichtag.

Im Kaufvertrag wurde einerseits ein fester Kaufpreis i.H.v. rund EUR 5 Millionen – wovon unstrittig ca. TEUR 42 auf die GmbH-Anteile entfielen – vereinbart, welcher am 15. Oktober fällig war, nicht jedoch vor Sicherstellung des Eintritts der aufschiebenden Bedingungen der Eintragung des Erwerbers als Kommanditist in das Handelsregister. Andererseits wurde ein variables Entgelt vereinbart, welches in den nachfolgenden drei Geschäftsjahren in Abhängigkeit der jeweiligen Rohmarge – definiert als Nettoumsatz abzgl. Materialkosten – bei Erreichen bestimmter Schwellenwerte zu zahlen war. Demnach hatte der Erwerber bei einer Rohmarge [gt] EUR 10 Millionen ein variables Entgelt von TEUR 533 bzw. bei einer Rohmarge ≤ EUR 8 Millionen ein variables Entgelt von EUR 0 zu zahlen. Bei einer Rohmarge, die sich zwischen diesen beiden Grenzwerten befindet, war das variable Entgelt linear zwischen EUR 0 und TEUR 533 zu ermitteln.

Während das Finanzamt die vom Erwerber gezahlten variablen Kaufpreisanteile der nachfolgenden drei Geschäftsjahre als nachträgliche Kaufpreiszahlungen ansah, welche als rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 1Satz 1 Nr. 2 AO im Veräußerungsjahr zu berücksichtigen seien, sah das FG Rheinland-Pfalz in der gewählten vertraglichen Ausgestaltung der Earn-Out-Klausel eine umsatzabhängige Kaufpreisabrede, bei der sowohl die Entstehung als auch die Höhe des Anspruchs auf das zusätzliche variable Entgelt ungewiss war. Dementsprechend entschied das FG Rheinland-Pfalz, dass die variablen Kaufpreiszahlungen nicht im Veräußerungsjahr, sondern im jeweiligen Jahr der Zahlung steuerlich zu berücksichtigen sind und insofern – abweichend von den allgemeinen Grundsätzen – auf die Realisation des Veräußerungsentgelts im Zuflusszeitpunkt abzustellen ist.

Da in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt ist, ob derartige Earn-Out-Klauseln als gewinn- bzw. umsatzabhängige Kaufpreisabreden einzustufen sind, die erst im Zeitpunkt des Zuflusses zu einer Besteuerung führen, hat das FG Rheinland-Pfalz wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieses Themas die Revision zugelassen, welche zwischenzeitlich auch eingelegt wurde (BFH IV R 9/21).

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