BFH hält an Margenteilungsgrundsatz bei Gesellschafter-Darlehen fest

Die verdeckte Gewinnausschüttung

Eine verdeckte Gewinnausschüttung (kurz vGA) liegt vor, wenn

  • es bei einer Kapitalgesellschaft zu einer Vermögensminderung oder einer verhinderten Vermögensmehrung kommt,
  • sie sich auf den Steuerbilanzgewinn i.S.d. § 4 Abs. 1 S. 1 EStG auswirkt,
  • sie nicht fremdüblich ist und
  • es sich nicht um eine offene Gewinnausschüttung (unter Einbehalt der Kapitalertragsteuer) handelt.

Urteilssachverhalt

Im Sachverhalt, der dem BFH-Urteil zugrunde lag, führte eine Kapitalgesellschaft für ihren Gesellschafter-Geschäftsführer ein Verrechnungskonto, auf dem Zahlungsbewegungen im Verhältnis zum Gesellschafter-Geschäftsführer gebucht und verrechnet wurden. Dabei ergab sich ein Saldo zugunsten der Kapitalgesellschaft, der unverzinst geblieben ist.

vGA dem Grunde nach

In seinem Urteil v. 22. Februar 2023 führte der BFH aus, dass der Verzicht auf Verzinsung eines Verrechnungskontos mit einem Saldo zugunsten der Kapitalgesellschaft eine vGA darstellen kann. Bei dem Verzicht auf Zinszahlungen handelt es sich um eine verhinderte Vermögensmehrung auf Ebene der Kapitalgesellschaft, die den Steuerbilanzgewinn mindert. Ferner ist der Verzicht nicht fremdüblich, da die Kapitalgesellschaft einem fremden Dritten kein unverzinsliches Darlehen gewährt hätte.

Im Urteilsfall hätte der BFH neben dieser Feststellung die Möglichkeit gehabt, darauf einzugehen, ob auch die Auskehrung der Darlehensvaluta an den Gesellschafter-Geschäftsführer eine vGA darstellen kann, wenn ein gewissenhafter Geschäftsleiter dem Gesellschafter aufgrund dessen wirtschaftlicher Situation keine (weiteren) Darlehen mehr gewährt hätte. Diese Frage hat der BFH und die Vorinstanz jedoch offengelassen.

vGA der Höhe nach

Zur Feststellung der Höhe einer vGA führte der BFH folgendes aus:

Vorrangige Anwendung von Vergleichspreisen:

Vorrangig ermittelt sich die vGA nach der Preisvergleichsmethode, d.h. bezieht der Gesellschafter-Geschäftsführer andere Darlehen von fremden Dritten, die unter vergleichbaren Konditionen (Laufzeit, Besicherung, Höhe) abgeschlossen wurden, sind diese Zinssätze als Vergleichspreise zur Ermittlung der vGA heranzuziehen.

Ermittlung der vGA, wenn Vergleichspreise fehlen:

Für den Fall, dass keine Vergleichspreise vorliegen und die Kapitalgesellschaft selbst keine Bankgeschäfte betreibt, sind folgende Szenarien zu unterscheiden.

  • Hat die Kapitalgesellschaft selbst die Ausreichung des Darlehens an den Gesellschafter-Geschäftsführer fremdfinanziert, so ermittelt sich die vGA auf Basis des von der Kapitalgesellschaft zu zahlenden Sollzinssatzes.
  • Hat die Kapitalgesellschaft die Ausreichung des Darlehens an den Gesellschafter-Geschäftsführer nicht fremdfinanziert, so liegt der Fremdvergleichspreis in einer Bandbreite von Zinssätzen, wobei der Habenzinssatz die Untergrenze und der Sollzinssatz die Obergrenze darstellt. Für den Fall, dass die Kapitalgesellschaft keine Bankgeschäfte betreibt, ist es aus Sicht des BFHs nicht zu beanstanden, davon auszugehen, dass sich Darlehensgeber und -nehmer die banktypische Marge teilen (Margenteilungsgrundsatz), d.h. der Fremdvergleichspreis ergibt sich als Mittelwert von Haben- und Sollzins. Für die Ermittlung der Haben- und Sollzinsen kann auf revolvierende Kredite und Überziehungskredite an Privathaushalte unter Heranziehung öffentlich zugänglicher Statistiken der deutschen Bundesbank abgestellt werden.

Praxisimplikationen

Der BFH bestätigt in seinem Urteil, dass der Verzicht auf Verzinsung eines Darlehens an einen Gesellschafter dem Grunde nach eine vGA darstellen kann. Trotz der im Schrifttum geäußerten Kritik hält der BFH ferner an der Anwendbarkeit des Margenteilungsgrundsatzes fest.

Die Praxis hat sich somit darauf einzustellen. Folglich sollten Verrechnungskonten zumindest im Fall eines Saldos zugunsten der Kapitalgesellschaft stets verzinst werden. Für den Fall, dass keine Vergleichspreise vorliegen, kann unter Heranziehung öffentlich zugänglicher Statistiken der deutschen Bundesbank der Zinssatz auf Basis der Margenteilung ermittelt werden.

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