Bundesverfassungsgericht ermöglicht Buchwertübertragung zwischen Schwestergesellschaften

Personengesellschaften werden in Deutschland transparent besteuert, d. h. grundsätzlich ist nicht die Personengesellschaft selbst steuerpflichtig, sondern die dahinterstehenden Gesellschafter. Den Gesellschaftern werden die anteiligen Ergebnisse der Personengesellschaft zugerechnet, ebenso anteilig deren Wirtschaftsgüter und Schulden.

Die Umstrukturierung von Personengesellschaften erfolgt regelmäßig über die Vorschrift des § 6 Abs. 5 EStG. Unter den dort genannten Voraussetzungen können Einzelwirtschaftsgüter – wie z. B. Grundstücke oder Maschinen – zum Buchwert und damit ohne Ertragsteuerbelastung überführt (ohne Rechtsträgerwechsel) oder übertragen (mit Rechtsträgerwechsel) werden. Die Vorschrift erfasst neben dem Transfer eines Wirtschaftsguts zwischen verschiedenen Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen auch den Transfer von Wirtschaftsgütern innerhalb derselben Mitunternehmerschaft sowie zwischen zwei über ihre Mitunternehmer verbundenen Betrieben bzw. Mitunternehmerschaften. In all diesen Fällen bleibt es wirtschaftlich grundsätzlich unverändert bei der anteiligen Zuordnung der entsprechenden Wirtschaftsgüter zum jeweiligen Steuerpflichtigen, insofern ist es letztlich ohne Bedeutung, in welchem Betriebsvermögen sich das Wirtschaftsgut befindet, da final auf den Steuerpflichtigen abgestellt wird.

Transfers zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften sind hingegen nicht gesetzlich geregelt („Regelungslücke“ in § 6 Abs. 5 EStG), obwohl es auch hier grundsätzlich bei der anteiligen Zuordnung der Wirtschaftsgüter zum Steuerpflichtigen bleibt.

Diese Regelungslücke war dem Gesetzgeber bekannt, wurde aber nicht geschlossen. Die Praxis entwickelte daraufhin verschiedene Gestaltungsmodelle, insbesondere durch Kettenübertragungen und die Nutzung der Reinvestitionsrücklage nach § 6b EStG, um dennoch einen Buchwert-Transfer zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften zu ermöglichen. Bei diesen Ausweichgestaltungen gab es aber verschiedene rechtliche Unsicherheiten, zudem erhöhten sich die Transaktionskosten.

Über die Regelungslücke kam es zum Streit, sogar innerhalb des Bundesfinanzhofs (BFH). Unter Verweis auf den Gesetzeswortlaut versagte die Finanzverwaltung den Buchwert-Transfer zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften und wollte die stillen Reserven in den transferierten Wirtschaftsgütern voll versteuern. Auch der I. Senat im BFH (u. a. zuständig für Körperschaftsteuer) wollte in seinem Urteil aus 2009 die stillen Reserven versteuern, zugleich wurde in der Regelungslücke ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes gesehen. Der IV. Senat des BFH (u. a. zuständig für Personengesellschaften) wollte durch Beschluss aus 2010 die Regelungslücke durch analoge Anwendung der Vorschriften für den Buchwert-Transfer zwischen verschiedenen Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen schließen und stellte sich damit offen gegen die Rechtsauffassung vom I. Senat. Die unterschiedlichen Rechtsauffassungen innerhalb des BFH („Zoff im BFH“) hätten grundsätzlich durch die Anrufung des Großen Senats aufgelöst werden können. Stattdessen ging der der I. Senat des BFH in die Offensive und legte mit seinem Beschluss aus 2013 die Rechtsfrage zur Klärung beim Bundesverfassungsgericht vor.

Nach fast zehn Jahren (!) Verfahrensdauer urteilte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) am 28. November 2023 mit seinem Urteil 2 BvL 8/13, veröffentlicht am 12. Januar 2024, dass die Vorschrift des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG unvereinbar mit dem Grundgesetz ist, soweit eine Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften ausgeschlossen ist. Es komme keine analoge Anwendung von § 6 Abs. 5 Satz 1 und 2 EStG auf die Regelungslücke in Betracht. Der Große Senat des BFH war nicht anzurufen, da die Verfassungswidrigkeit einer Norm nur vom BVerfG festgestellt werden kann. Für die Regelungslücke gibt es keine Rechtfertigungsgründe, der Ausschluss des Buchwert-Transfers bei personenidentischen Personengesellschaften sei vielmehr willkürlich und ohne Begründung vom Gesetzgeber erfolgt.

Das BVerfG verpflichtete den Gesetzgeber rückwirkend für Übertragungsvorgänge nach dem 31. Dezember 2000 eine Neuregelung zu schaffen. Bis zum Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung ist § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG auch auf den Transfer von Wirtschaftsgütern zwischen personenidentischen Personengesellschaften anwendbar. Bei anstehenden Gestaltungen ist nun zu entscheiden, ob man die gesetzliche Neuregelung für zusätzliche Rechtssicherheit abwarten kann. So ist derzeit u. a. offen, ob der Gesetzgeber (nur) den Transfer von Einzelwirtschaftsgütern zwischen absolut personenidentischen Personengesellschaften gesetzlich regeln wird oder, ob z. B. auch der Buchwert-Transfer bei lediglich teilweiser Personenidentität zulässig ist.

Die Entscheidung des BVerfG wird zum Teil als „Jahrhunderturteil“ bezeichnet. Zutreffend wird es die Umstrukturierung von Personengesellschaften deutlich erleichtern und auch Auswirkungen auf die sog. Realteilung haben. Denn auch bei der Realteilung versagt die Finanzverwaltung aktuell den Buchwert-Transfer zwischen personenidentischen Personengesellschaft.

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