Die sog. „Quick Fixes“ in der Umsatzsteuer - wichtige Neuerungen im grenzüberschreitenden Warenverkehr

Das im November vom Bundestag verabschiedete „Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ – kurz: Jahressteuergesetz 2019 – beinhaltet auch im Bereich der Umsatzsteuer zahlreiche Gesetzesänderungen. Insbesondere die Umsetzung der Vorgaben der EU zu den sog. „Quick Fixes“ hat Auswirkungen bei der umsatzsteuerlichen Abbildung des innergemeinschaftlichen Warenverkehrs. Hiervon sind folgende Bereiche betroffen:

  • Voraussetzungen für die Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen

  • Vereinheitlichter Belegnachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen

  • Vereinheitlichte Regularien für Konsignationslager

  • EU-weite Regelung für innergemeinschaftliche Reihengeschäfte

 

Voraussetzungen für die Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen:

Mit Wirkung zum 1. Januar 2020 wird die Gewährung der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen durch Hinzutreten folgender zusätzlicher Voraussetzungen verschärft:

  • Zukünftig wird die Umsatzsteuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen versagt, wenn der liefernde Unternehmer seiner Pflicht zur Abgabe einer Zusammenfassenden Meldung nicht, nicht vollständig oder nicht richtig nachkommt (§ 4 Nr. 1b UStG-E). Bisher führten Fehler oder Verstöße bei der Abgabe der Zusammenfassenden Meldung allenfalls zu einem Bußgeld, welches auch nur in Ausnahmefällen verhängt wurde. Auch wenn mit einer Korrektur der Zusammenfassenden Meldung eine ursprünglich nicht oder falsch abgegebene Zusammenfassende Meldung rückwirkend geheilt werden kann, kommt der Zusammenfassenden Meldung zukünftig deutlich höhere Bedeutung zu.

  • Als weitere materielle Voraussetzung für die Umsatzsteuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung verlangt die Neuregelung, dass der Leistungsempfänger gegenüber dem liefernden Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte, im Zeitpunkt der Lieferung gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet (§ 6a UStG-E). Bisher galt die Aufzeichnung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers eher als bloße formelle Voraussetzung, zukünftig wird diese zur zwingenden Voraussetzung für die Steuerbefreiung.

    In diesem Zusammenhang wird empfohlen, bei Neuanlage eines Kunden und vor Ausführung einer innergemeinschaftlichen Lieferung stets die Gültigkeit der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Leistungsempfängers zu überprüfen. Hierzu können einfache und qualifizierte Bestätigungsanfragen schriftlich über das Internet oder telefonisch an das Bundeszentralamt für Steuern gestellt werden. IT-seitige Lösungen in Form eines Tools zur automatischen Prüfung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummern sollten ggf. zur Unterstützung herangezogen werden. Im Umkehrfall müssen Unternehmer, die vom EU-Ausland Waren einkaufen, sicherstellen, dass sie dem Lieferanten ihre Umsatzsteuer-Identifikationsnummer aktiv im Bestellprozess mitteilen.

  • Die beiden oben aufgeführten weiteren Voraussetzungen für die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen sind zukünftig auch für das innergemeinschaftliche Verbringen zu beachten. Beim innergemeinschaftlichen Verbringen gelangt der Gegenstand in einen anderen EU-Mitgliedstaat, bleibt aber in der Verfügungsmacht des Unternehmers.

    Damit können zukünftig innergemeinschaftliche Verbringungen nur dann steuerfrei sein, wenn dem Unternehmer bereits im Zeitpunkt des Verbringens eine gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer im Bestimmungsland erteilt wurde. Des Weiteren muss der Unternehmer das Verbringen ordnungsgemäß in seiner Zusammenfassenden Meldung deklarieren. Da es im Fall des Verbringens an einem Umsatz an einen anderen Unternehmer mangelt, ist es aktuell umstritten, ob die Umsatzsteuer für den verbringenden Unternehmer als Vorsteuer abziehbar ist. Unternehmer sollten sich also nun noch frühzeitiger um die Erteilung einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer kümmern.

 

Belegnachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen:

Die Einführung eines EU-weit einheitlichen Belegnachweises für die Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen ist ebenfalls Bestandteil der Quick Fixes (Art. 45a MwStDVO). Werden die hierfür vorgesehenen Dokumente vom Unternehmer vorgehalten, wird vermutet, dass ein grenzüberschreitender Warentransport erfolgt ist.
Nach der einheitlichen europäischen Neuregelung muss der Lieferant für die Anwendung der Steuerbefreiung grundsätzlich im Besitz von mindestens zwei sich nicht widersprechenden Transportnachweisen sein. Diese müssen zudem von zwei voneinander sowie vom Lieferanten und Abnehmer unabhängigen Parteien ausgestellt werden. Als Transportnachweise kommen hierbei insbesondere folgende Dokumente in Betracht: CMR-Frachtbrief, Konnossement, Luftfracht-Rechnung, Rechnung des Beförderers der Gegenstände. In Abholfällen ist zusätzlich eine schriftliche Erklärung des Abnehmers erforderlich, welche dem Lieferanten spätestens 10 Tage nach Ablauf des Liefermonats zu übermitteln ist. Diese Gelangensbestätigung muss neben der Mitteilung, dass die Liefergegenstände vom Erwerber ins EU-Ausland befördert wurden, unter anderem Angaben zu Bestimmungsland und -ort, Name und Anschrift des Erwerbers, Menge und Art der gelieferten Gegenstände, Ankunftsdatum und weitere Informationen enthalten.

Der Rahmen für den Belegnachweis wurde also europaweit vereinheitlicht. Die Anforderungen an den Belegnachweis sind aber hoch, so sind zukünftig zwingend zwei Nachweisdokumente notwendig. Auf die genaue Einhaltung dieser Vorgaben ist daher in der Praxis dringend zu achten, um die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung zu erhalten.

Für deutsche Unternehmer ist die Lage allerdings entschärft: Für Lieferungen aus Deutschland gelten weiterhin die lokalen Vorschriften (§§ 17a ff. UStDV), die bislang geltenden Nachweise sind weiterhin zulässig. Tätigt aber ein Unternehmen innergemeinschaftliche Lieferungen aus anderen EU-Ländern, sind ggf. die Neuregelungen des Art. 45a MwStDVO zu erfüllen. Holt der deutsche Unternehmer Waren aus dem EU-Ausland ab, so muss er ggf. die entsprechenden Prozesse einführen, um die Gelangensbestätigung bis zum 10. Tag nach Ablauf des Liefermonats an den Lieferanten zu übermitteln; ansonsten läuft er Gefahr, dass ihm der Lieferant Umsatzsteuer nachbelastet.

 

Vereinfachungsregel für Konsignationslager:

Als Konsignationslager wird ein Warenlager bezeichnet, das der Lieferant meist in unmittelbarer Nähe zum Kunden einrichtet. Dabei verbleibt das zivilrechtliche Eigentum der Ware solange beim Lieferanten, bis der Kunde die Ware aus dem Konsignationslager entnimmt. Grundsätzlich war bisher die grenzüberschreitende Überführung der Ware in ein Konsignationslager als innergemeinschaftliches Verbringen zu qualifizieren und die anschließende Entnahme der Ware aus dem Konsignationslager als lokale Lieferung im Bestimmungsland zu werten. Nachteilig war in dieser Fallkonstellation die umsatzsteuerliche Registrierungspflicht für den liefernden Unternehmer im Bestimmungsland. Abweichend hiervon sahen allerdings bislang viele Mitgliedstaaten individuell ausgestaltete Vereinfachungsregeln vor: Der Lieferant erklärt anstelle des Verbringens mit anschließender lokaler Lieferung vereinfachend nur eine innergemeinschaftliche Lieferung im Zeitpunkt der Entnahme.

Nun soll für Konsignationslagerfälle eine EU-einheitliche Vereinfachung (Art. 17a MwStSystRL) das innergemeinschaftliche Verbringen und die lokale Lieferung im Bestimmungsland in eine einzige innergemeinschaftliche Lieferung zusammenfassen. Eine Registrierung im Bestimmungsland würde damit für den liefernden Unternehmer entfallen. Korrespondierend hat der Leistungsempfänger im Bestimmungsland einen innergemeinschaftlichen Erwerb zu versteuern.

Hierzu müssen allerdings folgende Voraussetzungen erfüllt sein (§ 6b UStG-E):

  • Die Lieferung erfolgt an einen Erwerber, dessen Name und Anschrift dem Unternehmer zu Beginn der Versendung oder Beförderung des Gegenstands bekannt ist.

  • Der liefernde Unternehmer hat im Bestimmungsland weder einen Sitz, noch Geschäftsleitung oder Betriebsstätte.

    Der Erwerber hat gegenüber dem liefernden Unternehmer bis zu Beginn der Beförderung oder Versendung eine ihm vom Bestimmungsmitgliedstaat erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet.

  • Der liefernde Unternehmer erklärt das Bestücken des Konsignationslagers in der Zusammenfassenden Meldung. Zudem hat er umfangreiche Aufzeichnungspflichten (§ 22 Abs. 4f UStG-E) zu erfüllen, insbesondere: Tag des Verbringens, Warenwert der Gegenstände (Einkaufs- oder Selbstkostenpreis), Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des späteren Erwerbers sowie Angaben zum Lager und Lagerinhaber.

  • Die Lieferung an den Erwerber muss innerhalb von 12 Monaten nach dem Ende der Beförderung bzw. Versendens in das Konsignationslager bewirkt worden sein. Andernfalls kommt es mit Ablauf der Frist zu einem innergemeinschaftlichen Verbringen durch den Lieferanten.

Die Neuregelungen zum Konsignationslager sind grundsätzlich positiv zu bewerten. Die Anforderungen, um in den Genuss der Vereinfachungsregel zu kommen, sind jedoch sehr umfangreich und streng ausgestaltet worden.

 

Innergemeinschaftliche Reihengeschäfte:

Im Rahmen der Quick Fixes wird eine unionseinheitliche Regelung zum Reihengeschäft (Art. 36a MwStSystRL) umgesetzt. Ein Reihengeschäft liegt vor, wenn mehrere Unternehmer Umsatzgeschäfte über denselben Gegenstand abschließen, der Gegenstand jedoch vom ersten Lieferer direkt an den letzten Abnehmer befördert bzw. versendet wird. Trotz des direkten Warenwegs vom Erst-Lieferer zum Letzt-Abnehmer liegen umsatzsteuerlich - je nach Anzahl der involvierten Lieferer - zwei oder mehrere umsatzsteuerlich selbständige Lieferungen vor. Wird die Ware hierbei grenzüberschreitend transportiert, kann nur die bewegte Lieferung als eine umsatzsteuerbefreite Lieferung qualifiziert werden, während die übrigen Lieferungen der Lieferkette als ruhende Lieferungen jeweils als lokale Lieferungen im Abgangs- oder Bestimmungsland zu werten sind. Bisher war die Bestimmung der bewegten und der ruhenden Lieferungen innerhalb der Lieferkette von den Mitgliedsländern unterschiedlich festgelegt worden, was nun europaweit vereinheitlicht wird. Hinsichtlich der Zuordnung der warenbewegten Lieferung stellt der Gesetzgeber nun auf folgende Tatbestandsmerkmale ab (§ 3 Abs. 6a UStG-E):

  • Wird der Gegenstand durch den ersten Unternehmer befördert oder versendet, so ist die Warenbewegung der Lieferung des ersten Unternehmers zuzuordnen.

  • Bei Beförderung oder Versendung des Gegenstands durch den letzten Abnehmer in der Reihe, wird die Warenbewegung dem letzten Abnehmer zugeordnet.

  • Im § 3 Abs. 6a UStG-E wird nun erstmals der Begriff des Zwischenhändlers definiert. Als Zwischenhändler werden die Beteiligten der Lieferkette bezeichnet, die sowohl Lieferer als auch Abnehmer des Gegenstands sind. Wird der Gegenstand durch einen Zwischenhändler befördert bzw. versendet, ist die Warenbewegung grundsätzlich der Lieferung an ihn zuzuordnen. Dies gilt nicht, wenn der Zwischenhändler nachweist, dass er als Lieferer und nicht als Abnehmer befördert oder versendet. Verwendet der Zwischenhändler eine ihm vom Abgangsmitgliedstaat erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, gilt die gesetzliche Vermutung als widerlegt und die Beförderung oder Versendung ist seiner Lieferung zuzuordnen.

    Wird der Gegenstand aus dem Gemeinschaftsgebiet in das Drittland befördert bzw. versendet (Ausfuhrlieferung), so gilt der Nachweis als erbracht, wenn der Zwischenhändler gegenüber dem leistenden Unternehmer zu Beginn der Versendung bzw. Beförderung eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet, die ihm vom Mitgliedstaat des Beginns der Lieferung erteilt wurde.


Die vereinheitlichte Neuregelung schafft eine deutliche Erleichterung für die Beteiligten. Zwischenhändler können durch die Verwendung einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer den Lieferprozess rechtssicher gestalten, müssen hierfür aber in den Prozessen sicherstellen, dass diese an den Lieferanten aktiv mitgeteilt wird.

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