Ausweitung des Verlustrücktrags und Abschaffung der Abzinsungspflicht für unverzinsliche Verbindlichkeiten durch das 4. Corona-Steuerhilfegesetz und weitere Gesetzesänderungen

Nachdem der Bundesrat am 10. Juni 2022 das 4. Corona-Steuerhilfegesetz in der vom Bundestag am 19. Mai 2022 beschlossenen Form angenommen hat, wurde das Gesetz am 22. Juni 2022 im Bundessteuerblatt verkündet.

Darüber hinaus wurde das Steuerentlastungsgesetz 2022 am 27. Mai 2022 im Bundessteuerblatt veröffentlicht, nachdem am 20. Mai 2022 die Annahme durch den Bundesrat erfolgte (vgl. unsere News vom 17. Mai 2022).

Mit den getroffenen Regelungen, welche wir nachfolgend kurz zusammengefasst haben, sollen die Folgen der Corona-Pandemie weiter bekämpft und die Wirtschaft sowie die Privathaushalte zusätzlich gestärkt werden. Sofern nicht anders angegeben, treten die jeweiligen Änderungen mit Verkündung des jeweiligen Gesetzes in Kraft.

Anpassung von Steuererklärungsfristen und Steuervorauszahlungen

  • Mit Wirkung zum 31. Mai 2022 werden die laut Abgabenordnung bestehenden Steuererklärungsfristen für die Zeiträume 2020 bis 2024 unter Anwendung einer jährlichen Abschmelzungsregelung wie folgt verlängert:

Ab dem Veranlagungszeitraum 2024 (nicht beratene Fälle) bzw. 2025 (beratene Fälle) sollen dann wieder die ursprünglichen Fristen gelten.

  • Für die dargestellten Veranlagungszeiträume wurden zudem die Regelungen hinsichtlich Fristverlängerung (§ 109 AO), Verspätungszuschlag (§ 152 AO), Verzinsung (§ 233a AO) sowie Anpassung von Vorauszahlungen (§ 37 (3) i.V.m. § 52 (35d) EStG bzw. § 19 (3) i.V.m. § 36 (5b) GewStG) entsprechend angepasst.

Steuerliche Verluste

  • Ab dem Verlustentstehungsjahr 2022 wird der Verlustrücktrag von einem auf zwei Jahre erweitert und das nach § 10d (1) S. 5, 6 EStG bestehende Wahlrecht in Bezug auf die Höhe des in Anspruch genommenen Verlustrücktrags eingeschränkt, sodass sich der Steuerpflichtige nur noch insgesamt gegen den Verlustrücktrag entscheiden kann.

  • Zudem werden die bereits durch das 3. Corona-Steuerhilfegesetz angehobenen Betragsgrenzen i.H.v. EUR 10 Millionen bzw. bei zusammenveranlagten Ehegatten EUR 20 Millionen für die Jahre 2022 und 2023 beibehalten. Ab 2024 gelten dann wieder die „Altgrenzen“ i.H.v. EUR 1 Million bzw. EUR 2 Millionen. Dies sowohl im Rahmen der Einkommensteuer als auch für Kapitalgesellschaften. Dahingegen bleiben die Regelungen zur Mindestbesteuerung gemäß § 10d (2) EStG unverändert, sodass nicht ausgeglichene negative Einkünfte, welche nicht im Rahmen des Verlustrücktrags abgezogen wurden, weiterhin nur bis zu einem Betrag von EUR 1 Million unbeschränkt und darüber hinaus bis zu 60% des EUR 1 Million übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte abgezogen werden können. Bei zusammenveranlagten Ehegatten tritt an die Stelle des Betrags von EUR 1 Million ein Betrag von EUR 2 Millionen.

Weitere Änderungen des 4. Corona-Steuerhilfegesetzes

  • Für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens wurde die Inanspruchnahme der degressiven Abschreibung nach § 7g (5) EStG auch für das Jahr 2022 ermöglicht. Diese kann das bis zu Zweieinhalbfache der linearen Abschreibung – maximal jedoch 25% – betragen und war bereits durch das 2. Corona-Steuerhilfegesetz für die Jahre 2020 und 2021 eingeführt worden. Als weitere Maßnahme wurden auch die Investitionsfristen nach § 7g EStG um ein weiteres Jahr verlängert. Sofern demnach Investitionsabzugsbeträge im Jahr 2022 vom Auslaufen der dreijährigen bzw. der bereits aufgrund der Coronakrise verlängerten Investitionsfrist betroffen wären, bietet diese Verlängerung die Möglichkeit, die Investitionen im Jahr 2023 durchzuführen.

  • Nach § 6 (1) Nr. 3 EStG sind unverzinsliche Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von mindestens 12 Monaten am Bilanzstichtag mit 5,5% abzuzinsen. Diese Regelung wird für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2022 enden, abgeschafft. Auf formlosen Antrag und nur einheitlich für alle vor dem 1. Januar 2023 endende Wirtschaftsjahre kann die Abzinsungspflicht bereits in vor dem 1. Januar 2023 endenden Wirtschaftsjahren vorzeitig entfallen, soweit betroffene Veranlagungen nicht bestandskräftig sind. Betroffene Verpflichtungen sind nach Wegfall der Abzinsungspflicht – unter Beachtung des § 6 (1) Nr. 2 EStG – grundsätzlich mit dem Nennwert anzusetzen. Soweit eine Verbindlichkeit bereits in dem vorangegangenen Wirtschaftsjahr passiviert wurde, ergibt sich eine Gewinnminderung i.H.d. bisherigen Abzinsungsvolumens.

  • Um die Liquidität der Unternehmen weiter zu stärken und dem Umstand Rechnung zu tragen, dass eventuell aufgrund weltweiter Lieferengpässe die Fertigstellung von Reinvestitionsgütern nicht fristgerecht erfolgen kann, werden die Reinvestitionsfristen des § 6b EStG um ein weiteres Jahr verlängert.

  • Die bestehende Regelung zur Homeoffice-Pauschale (d.h. 5 EUR pro Tag für jeden Tag, an dem ausschließlich von zuhause gearbeitet wurde, maximal EUR 600), welche durch das Jahressteuergesetz 2020 eingeführt worden war, wird um ein weiteres Jahr – sprich bis 31. Dezember 2022 – verlängert.

  • Die Steuerfreiheit des Zuschusses zum (Saison-) Kurzarbeitergeld gemäß § 3 Nr. 28 EStG wird um weitere sechs Monate verlängert, sodass etwaige Zuschüsse des Arbeitgebers für Lohnzahlungszeiträume, die nach dem 29. Februar 2020 beginnen und vor dem 1. Juli 2022 enden, steuerfrei sind.

  • Durch Neueinführung des § 3 Nr. 11b EStG besteht nun die Möglichkeit für bestimmte Pflegeeinrichtungen (z.B. Krankenhäuser, ambulante Pflegedienste, (Zahn-) Arztpraxen, Rettungsdienste) ihren Arbeitnehmern einen steuerfreien Pflegebonus i.H.v. bis zu EUR 4.500 zukommen zu lassen. Die Zahlung muss im Zeitraum vom 18. November 2021 bis zum 31. Dezember 2022 erfolgen und kann nicht nur an das Pflegepersonal, sondern auch an andere Arbeitnehmer (z.B. Auszubildende, Freiwillige i.S.d. § 2 Bundesfreiwilligendienstgesetz oder § 2 Jugendfreiwilligendienstgesetz) geleistet werden. Die Neuregelung tritt rückwirkend zum 1. Januar 2021 in Kraft.

Änderungen aufgrund des Steuerentlastungsgesetzes 2022

  • Der Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer wird rückwirkend zum 1. Januar 2022 von derzeit EUR 9.984 auf EUR 10.347 erhöht.

  • Bis Ende 2026 wird für Fernpendler und beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung die Entfernungspauschale ab dem 21. Kilometer rückwirkend ab dem 1. Januar 2022 von aktuell 35 Cent auf 38 Cent erhöht.

  • Die Werbungskostenpauschale wird rückwirkend zum 1. Januar 2022 von EUR 1.000 auf EUR 1.200 erhöht.

  • Im September 2022 wird einmalig eine Energiepreispauschale i.H.v. EUR 300 an alle Arbeitnehmer ausgezahlt, die am 1. September 2022 in einem ersten Dienstverhältnis stehen, in die Steuerklasse 1 – 5 eingereiht sind oder einen Minijob oder eine kurzfristige Beschäftigung nachgehen. Bei Selbstständigen findet eine entsprechende Minderung der am 10. September 2022 fälligen Einkommensteuervorauszahlung statt. Die Energiepreispauschale ist zu versteuern, jedoch sozialversicherungsfrei.

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