Wegzugsbesteuerung bei lediglich „vorübergehende Abwesenheit“

Nach der Regelung des § 6 AStG sind bei einer natürlichen Person, die innerhalb eines Zeitraums von 12 Jahren mindestens sieben Jahre lang unbeschränkt steuerpflichtig war und deren unbeschränkte Steuerpflicht durch Aufgabe des Wohnsitzes endet, die stillen Reserven in Kapitalgesellschaftsanteilen im Privatvermögen ab einer Beteiligungshöhe von 1% aufzudecken (sog. Wegzugsbesteuerung). Etwaige Ersatztatbestände, aus denen ebenfalls eine Beschränkung oder ein Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechtes (so z.B. auch die unentgeltliche Übertragung der Anteile auf eine im Ausland ansässige Person) resultiert, führen ebenfalls zu der Veräußerungsfiktion des § 6 AStG.

Die Regelung erfuhr insbesondere in seiner Neufassung im Zuge des ATADUmsG dahingehend eine gravierende Verschärfung, dass für Wegzüge ab dem 1. Januar 2022 innerhalb der EU/EWR die nach der Altregelung anzuwendende zeitlich unbefristete Stundungsmöglichkeit entfiel. Über die Neuregelung des § 6 AStG (geltend für Wegzüge ab dem 1. Januar 2022) habe wir Sie bereits in unserem Newsletter vom 8. Juli 2021 in Kenntnis gesetzt.

Soweit nach der Altregelung der Steuerpflichtige innerhalb von fünf Jahren nach Deutschland zurückkehrt und infolgedessen wieder der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt, entfällt der Steueranspruch rückwirkend. Voraussetzung ist für Wegzüge bis zum 31. Dezember 2021 jedoch, dass der Steuerpflichtige berufliche Gründe sowie seine Rückkehrabsicht für die vorübergehende Abwesenheit nachweisen kann und weiterhin im Besitz der Kapitalgesellschaftsanteile ist. Die Rückkehrregelung des § 6 Abs. 3 AStG wurde in der Neuregelung dahingehend erleichtert, dass einerseits die Rückkehrfrist von fünf auf sieben Jahre erhöht wurde und andererseits künftig weder berufliche Gründe noch eine tatsächliche Rückkehrabsicht des Steuerpflichtigen glaubhaft zu machen sind. In der allgemeinen Rechtspraxis bestand eine gewisse Rechtsunsicherheit insoweit, ob der Rückkehrwille im Wegzugszeitpunkt als absichtsbegründende, glaubhaft zu machende und eigene Tatbestandvoraussetzung verstanden werden muss (so die Auffassung der Finanzverwaltung) oder ob eine Rückkehrabsicht innerhalb des gesetzlichen Rückkehrzeitraumes mit tatsächlicher Rückkehr schlicht indiziert werden kann.

Zu der Rückkehrregelung des § 6 Abs. 3 AStG alte Fassung hat sich der BFH mit Urteil vom 21. Dezember 2022 zu der seit Beginn der Regelung bestehenden Kontroverse geäußert. Erfreulicherweise entschied der BFH sehr klar dahingehend, dass zum Entfallen der sog. Wegzugsbesteuerung führende Merkmal der „nur vorübergehenden Abwesenheit“ in § 6 Abs. 3 AStG unabhängig von einer „Rückkehrabsicht“ erfüllt ist, wenn der Steuerpflichtige innerhalb des gesetzlich bestimmten Zeitrahmens von fünf Jahren (jetzt sieben Jahren) nach dem Wegzug wieder unbeschränkt steuerpflichtig wird.

Über die Fälle nach der Altregelung hinaus, darf dem BFH-Urteil auch eine gewisse Signalwirkung für die neu gefasste Rückkehrregelung des § 6 Abs. 3 AStG neue Fassung zugesprochen werden. Zumal das Erfordernis der Rückkehrabsicht in der Neuregelung ohnehin entschärft wurde. Inwieweit die Finanzverwaltung das BFH-Urteil - insbesondere auch im Kontext der Neuregelung - inhaltlich einordnet, bleibt abzuwarten. Bis dahin sollte die BFH-Rechtsprechung fallübergreifend für ähnlich gelagerte Fälle jedoch nicht als genereller „Freibrief“ missverstanden werden. So spricht der BFH in seinen Entscheidungsgründen, dass die rechtzeitige Rückkehr das Beruhen der Rückkehr auf einer ursprünglichen bestehenden Rückkehrabsicht „indiziert“, wenngleich diese Feststellung in der übrigen Urteilsbegründung relativiert wird. So kann zum derzeitigen Stand das Risiko (noch) nicht in Gänze ausgeschlossen werden, dass die Finanzverwaltung für die Fälle, in denen die Rückkehr zum Wegzugszeitpunkt augenscheinlich völlig unwahrscheinlich ist oder gar gänzlich ausgeschlossen wird, die Anwendung der Rückkehrregelung versagt.

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