Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Jahresabschluss

Die Corona-Krise hat unser aller gesellschaftliches und wirtschaftliches Leben wie kaum ein anderes Ereignis in der jüngeren Vergangenheit beeinflusst. Es verwundert daher kaum, dass „Corona-Pandemie“ von der Gesellschaft für deutsche Sprache zum Wort des Jahres 2020 gewählt wurde. Im Folgenden soll beleuchtet werden, welche Auswirkungen die Pandemie auf einen aktuellen Jahresabschluss haben kann.

Änderung von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden nur in Ausnahmefällen

In der deutschen Rechnungslegung, nach dem Handelsgesetzbuch (HGB), gilt der Stetigkeitsgrundsatz. Eine Abweichung von den bisher angewendeten Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden ist nur in begründeten Ausnahmefällen zulässig. Solche Ausnahmefälle liegen grundsätzlich vor, wenn sie durch besondere Umstände legitimiert sind, deren Auswirkungen sich das Unternehmen nicht entziehen kann oder wenn sie zu einer verbesserten Darstellung der Vermögens-, Finanz -und Ertragslage führen. Nach Auffassung des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) können die pandemiebedingten Auswirkungen grundsätzlich eine Änderung der Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden rechtfertigen. Ein genanntes Beispiel hierfür wäre, wenn es fortan vermieden werden soll, stille Reserven zu bilden. Sofern eine Änderung vorgenommen und die Stetigkeit durchbrochen wird, ist dies im Anhang zu begründen (§ 284 Abs. 2 Nr. 2 HGB). Dabei ist der Einfluss auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage gesondert darzustellen, i.d.R. unter Darstellung der betragsmäßigen Auswirkung der Änderungen.

Aktiva

Anlagevermögen

Grundsätzlich wird das Anlagevermögen zu Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten vermindert um planmäßige Abschreibungen über die geschätzte Nutzungsdauer bewertet. Außerplanmäßige Abschreibungen sind nur dann vorzunehmen, wenn eine voraussichtliche dauernde Wertminderung zu erwarten ist. Eine pandemiebedingte, vorübergehende Einschränkung der wirtschaftlichen Tätigkeit allein begründet noch keine dauernde Wertminderung im Anlagevermögen. Die Corona-Krise setzt jedoch viele Unternehmen in Branchen wie Luftfahrt, Beherbergung, Freizeit u.v.m. einer harten Belastungsprobe aus. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die in der Vergangenheit getätigten Investitionen sich angesichts absehbar schlechterer Geschäftsaussichten zum heutigen Zeitpunkt noch einen Wertbeitrag liefern werden, der ihren Anschaffungskosten bzw. aktuellen Buchwert zumindest entspricht. Beispielhaft seien hier Anlagen für die Herstellung von Zulieferteilen für die Flugzeugindustrie genannt, die mit erheblichen Auftragsstornierungen und deutlich schlechteren mittelfristigen Geschäftsperspektiven umgehen muss.

Gleiches gilt für die Bewertung des Finanzanlagevermögens. Für die Beteiligungsbewertung werden in der Regel Ertragswert- oder Discounted-Cashflow-Modelle herangezogen. Hier sind die Corona-bedingten Auswirkungen ggf. sowohl bei den Planungsrechnungen (im Sinne möglichst realistischer Planung) als auch beim Diskontierungszinssatz angemessen zu berücksichtigen. Bei langfristigen Darlehensforderungen, die als Ausleihungen bilanziert werden, hängt die Bewertung an der Einschätzung der Bonität des Schuldners, d.h. an der Frage, inwieweit sich die Corona-Pandemie auf die Zahlungsfähigkeit des Schuldners negativ ausgewirkt hat oder voraussichtlich noch wird.

Als Maßnahme zur Entlastung der Unternehmen in der Corona-Krise hat der Gesetzgeber die degressive Abschreibungsmethode im Steuerrecht für in den Jahren 2020 und 2021 angeschaffte bewegliche Anlagengüter wieder eingeführt (§ 7 Abs. 2 EStG). Zudem ermöglicht das BMF-Schreiben vom 26. Februar 2021 für Geschäftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2020 enden, Computerhardware und Software steuerlich über nur noch ein Jahr abzuschreiben, statt wie bisher über eine Nutzungsdauer von i.d.R. 3 bis 5 Jahren.
Allerdings können diese steuerlichen Erleichterungen nicht ohne weitere Prüfung in den handelsrechtlichen Jahresabschluss 1:1 übernommen werden. Zwar ist eine degressive Abschreibung hier nicht per se ausgeschlossen. Ihre handelsrechtliche Anwendung setzt jedoch voraus, dass sie sich betriebswirtschaftlich begründen lässt und damit insbesondere zur Vermittlung eines den „tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage“ nach § 264 Abs. 2 HGB beiträgt. Mit diesem Grundsatz wird sich die steuerliche Sofortabschreibung von Computerhardware und Software nur in absoluten Ausnahmefällen oder unter Verweis auf die nur unwesentliche Gesamtauswirkung vereinbaren lassen. Künftig ergeben sich gegebenenfalls vermehrt Abweichungen zwischen Handels- und Steuerbilanz mit der Folge, dass der Bilanzierung von latenten Steuern im Jahresabschluss gem. § 274 HGB u.U. größere Aufmerksamkeit gewidmet werden muss.

Vorräte

Die durch die Corona-Pandemie ausgelöste Verunsicherung hat in vielen Branchen zu einem Nachfrageeinbruch geführt. Bei Produktionsunternehmen muss u.U. berücksichtigt werden, dass sog. Leerkosten nicht im Rahmen der Herstellungskosten aktiviert werden dürfen, weil sie nicht durch die Fertigung veranlasst sind. Leerkosten entstehen bei einer Unterschreitung der Normalauslastung der Produktionskapazitäten. In der Praxis sind daher regelmäßig die Gemeinkostenzuschläge zu kürzen, um die Leerkosten während der Zeit der Unterauslastung bei der Berechnung der Herstellungskosten für unfertige und fertige Erzeugnisse oder Leistungen auszuschließen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass sich die Fertigungseinzelkosten im Vergleich zum Vorjahr deutlich verändert haben können, etwa weil Kurzarbeit gewährt wurde oder weil Corona-bedingt variable Bonuszahlungen ausfielen.

Sonstige Vermögensgegenstände und Forderungen

1. Aktivierung von Ansprüchen auf staatliche Corona Hilfen

Im Verlauf der Corona-Pandemie wurden zahlreiche Unterstützungsmaßnahmen (z.B. sog. November- und Dezemberhilfen) umgesetzt. Allerdings zeigten sich regelmäßig erhebliche zeitliche Lücken zwischen Antragsstellung und Gewährung der staatlichen Hilfen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen und zu welchem Zeitpunkt derartige staatliche Zuschüsse im Jahresabschluss berücksichtigt werden müssen.

Der IDW hat in seinem zweiten fachlichen Hinweis zu den Auswirkungen des Coronavirus festgestellt, dass Ansprüche erst dann zu aktivieren sind, wenn eine als verbindlich anzusehende Zusage besteht. Eine bloße Absichtserklärung des Unternehmens, die Corona-Hilfen zu beantragen, sei hierfür nicht ausreichend. Nach Auffassung des BMF und des BMWi ist die Aktivierung von Forderungen auf Zahlungen von Corona-Hilfen zu bejahen, wenn die wesentlichen wirtschaftlichen Ursachen im jeweiligen Wirtschaftsjahr entstanden sind und der Steuerpflichtige von einer künftigen Entstehung des Anspruchs ausgehen kann.

Diese auf den ersten Blick unterschiedlichen Auffassungen lassen sich unseres Erachtens in der Praxis wie folgt umsetzen: Liegen die wirtschaftlichen Voraussetzungen, an die die Auszahlung der Corona-Hilfen geknüpft sind im jeweiligen Geschäftsjahr und werden die entsprechenden Anträge bis zur Aufstellung des Jahresabschlusses gestellt, so sind die Forderungen in der zu erwartenden, sicheren Höhe bereits am Bilanzstichtag zu aktivieren, sofern keine wesentlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Anspruchs bestehen.

2. Forderungen aus Lieferungen und Leistungen

Im Zuge der Coronakrise sind viele Unternehmen in wirtschaftliche Schieflage geraten. Viele Unternehmen berichteten von einer verschlechterten Zahlungsmoral der Kunden, die nicht notwendigerweise Zeichen eines tatsächlichen Liquiditätsengpasses sein muss, sondern auch nur Ausdruck eines verschärften Risikomanagements (im Sinne eines Cash-Managements) sein kann. Im Zuge der Erstellung des Jahresabschlusses sind identifizierte Risiken tatsächlicher Zahlungsausfälle über Einzelwertberichtigungen abzubilden. Das IDW empfiehlt neben den notwendigen Einzelwertberichtigungen ggf. auch die Pauschalwertberichtigung zu erhöhen, um dem gestiegenen allgemeinen Forderungsausfallrisiko Rechnung zu tragen.

Passiva

Drohverlustrückstellungen

Durch die Coronakrise können sich sowohl durch Entwicklungen am Beschaffungsmarkt als auch am Absatzmarkt die Notwendigkeit für Drohverlustrückstellungen in der Handelsbilanz ergeben. Es droht dann ein Verlust aus einem schwebenden Geschäft, wenn bei einem noch zu erfüllenden Vertrag der Wert des Gegenleistungsanspruchs niedriger ist als die Kosten der zu erbringenden Leistung. Drohverluste können entstehen, wenn Vertragspartner definierte Abnahme- oder Lieferverpflichtungen zu vorher fixierten Preisen eingegangen sind. Die Bildung der Rückstellung kann jedoch entfallen, sollte vertraglich festgelegt worden sein (sog. Material Adverse Effekt oder Force Majeure Klauseln), dass die Pandemie als höhere Gewalt angesehen wird oder falls eine Übereinkunft erzielt wird, dass die Abnahme- und Lieferverpflichtungen ausgesetzt werden. Steuerrechtlich ist der Ansatz von Drohverlustrückstellungen gem. § 5 Abs. 4a EStG verboten. Demnach sind in solchen Fällen u.U. auch wieder Auswirkungen auf die Bilanzierung von latenten Steuern zu berücksichtigen.

Mietverbindlichkeiten

Im Rahmen der Coronakrise waren gestundete, erlassene oder geminderte Mieten ein häufig diskutiertes Thema. Sollte die Miete vom Vermieter gestundet werden, ist diese vom Mieter weiterhin zu passivieren – die Stundung verlagert nur die Zahlung in die Zukunft, nicht die Verpflichtung selbst. Verzichtet der Vermieter auf die nicht gezahlte Miete, entfällt die Passivierung als Verbindlichkeit zum Zeitpunkt des Verzichtsausspruchs (wertbegründendes Ereignis).

GuV

Kurzarbeit

1. Direkter Anspruch der Mitarbeiter auf Kurzarbeitergeld ggü. der Arbeitsagentur

Im Fall von Kurzarbeit erwirbt der Arbeitnehmer einen direkten Anspruch auf Kurzarbeitergeld ggü. der Agentur für Arbeit. Der Arbeitgeber ist in diesem Fall lediglich für die Zahlungsabwicklung verantwortlich. Er übernimmt die Auszahlung des Kurzarbeitergeldes an seine Mitarbeiter und lässt sich diese aufgrund des ergangenen Bescheids von der Arbeitsagentur erstatten. Sollten Erstattungsansprüche ggü. der Agentur für Arbeit offenbleiben, so ist zum Bilanzstichtag ein sonstiger Vermögensgegenstand zu aktivieren. Sowohl Auszahlung an die Mitarbeiter als auch Erstattungen durch die Arbeitsagentur sind im Personalaufwand zu erfassen, so dass im Ergebnis in der Gewinn- und Verlustrechnung kein Personalaufwand bzgl. der von Kurzarbeit betroffenen Mitarbeiter verbleibt.

2. Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge

Im Gegensatz zum Kurzarbeitergeld bleibt der Arbeitgeber weiter zur Abführung der Beiträge zur Sozialversicherung verpflichtet. Allerdings erhält er einen Anspruch auf Rückerstattung. Fraglich ist daher, wie dies in der Gewinn- und Verlustrechnung abzubilden ist. Nach Auffassung des IDW hat das Unternehmen hier ein Wahlrecht zur Erfassung in der Gewinn- und Verlustrechnung: entweder der Erstattungsanspruch wird als sonstiger betrieblicher Ertrag gezeigt oder direkt mit dem Sozialversicherungsaufwand innerhalb des Personalaufwands saldiert. Aufgrund des grundsätzlichen Saldierungsverbots in § 246 Abs. 2 HGB sollte unseres Erachtens dem separaten Ausweis als Ertrag der Vorzug gegeben werden. Sollten auch hier zum Bilanzstichtag noch Erstattungsansprüche offen sein, sind diese wiederum als sonstiger Vermögensgegenstand zu aktivieren.

Ausblick

Nach dem Willen der Bundesregierung soll der erleichterte Zugang zum Kurzarbeitergeld und die volle Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge für die Arbeitgeber bis Ende September 2021 verlängert werden. Nach fast eineinhalb Jahren macht sich aufgrund des fortschreitenden Impffortschritts zwar Hoffnung auf baldige Überwindung der Pandemie breit. Doch bereits heute zeigen sich wirtschaftliche Verwerfungen auf verschiedenen Märkten (siehe z.B. gestiegene Rohstoffpreise oder der Chipmangel in der Autoindustrie) als Folge von Aufholungseffekten, die wiederum besonderen Einfluss auf die Unternehmen und deren Jahresabschlüsse haben können.

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