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Bilanzierung von Forderungsverzicht, Rangrücktritt und Patronatserklärung zur Unternehmenssanierung und Insolvenzvermeidung

Um eine Insolvenzwelle zu vermeiden, wurde die Pflicht zur Insolvenzanmeldung bei pandemie-bedingter Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit (seit März 2020) ausgesetzt und mehrfach verlängert. Durch die Aussetzung war mit knapp 16.000 gemeldeten Insolvenzen im Jahr 2020 der niedrigste Wert seit der Einführung der Insolvenzordnung im Jahr 1999 zu verzeichnen. Seit Mai 2021 gilt die Insolvenzantragspflicht wieder uneingeschränkt und einige Experten rechnen mit einem signifikanten Anstieg der Firmeninsolvenzen im zweiten Halbjahr 2021.

Insolvenzantragsgründe sind Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO), drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) und Überschuldung (§ 19 InsO). Im Folgenden werden drei verschiedene Werkzeuge beschrieben, die häufig eingesetzt werden, um Unternehmen zu sanieren oder eine Insolvenzantragspflicht zu vermeiden: Forderungsverzicht, Rangrücktritt und Patronatserklärung.

Forderungsverzicht

Eine der einfachsten Möglichkeiten zur Sanierung von Unternehmen ist der Forderungsverzicht des Gläubigers. Der hierfür erforderliche Erlassvertrag (gem. § 397 BGB) ist formlos möglich. Aus Dokumentations- und Nachweiszwecken empfiehlt sich jedoch die Schriftform. Durch den Forderungsverzicht ist die Verbindlichkeit beim Schuldner erfolgswirksam auszubuchen, weil der Anspruch zivilrechtlich erlischt.

Häufig wird in der Praxis der Forderungsverzicht mit einer sog. Besserungsvereinbarung abgeschlossen, wonach die betreffende Forderung wieder aufleben soll, wenn bestimmte Voraussetzungen beim Schuldner eingetreten sind. Die Besserungsabrede kann beispielsweise an künftige Gewinne, an den erfolgreichen Abschluss von Kundenprojekten oder sonstige Bedingungen geknüpft werden. Jedenfalls empfiehlt es sich, die Bedingungen hinreichend konkret, objektiv überprüfbar und in schriftlicher Form festzuhalten, um spätere Unklarheiten und Streitigkeiten zu vermeiden. Die Forderung lebt dann wieder auf, wenn die Bedingung eingetreten ist. Erst dann ist sie als sog. außergewöhnlicher Aufwand, der im Anhang zum Jahresabschluss hinsichtlich Art und Höhe gemäß § 285 Nr. 31 HGB zu erläutern ist, wieder einzubuchen.

Aufgrund des Maßgeblichkeitsprinzips (§ 5 Abs. 1 S. 1 EStG) ist die Verbindlichkeit auch in der Steuerbilanz auszubuchen. Die weitere steuerliche Behandlung hängt davon ab, ob der Verzicht betrieblich oder durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Nur wenn ihm eine betriebliche Veranlassung zugrunde liegt – etwa weil auch andere Gläubiger im Rahmen eines Sanierungsplans einem Forderungsverzicht zustimmen – dann führt dies auf Ebene des Unternehmens zu einem steuerpflichtigen Ertrag in voller Höhe der Forderung. Ist der Forderungserlass jedoch dadurch begründet, dass der Gläubiger gleichzeitig Gesellschafter ist, so führt der Verzicht zu einer steuerneutralen Einlage des Gesellschafters, jedoch nur in Höhe des werthaltigen Teils (sog. „Teilwert“). Insoweit ist der steuerliche Gewinn daher außerbilanziell zu korrigieren. Hingegen kommt es in Höhe des nicht werthaltigen Teils zu einem steuerpflichtigen Ertrag.

Rangrücktritt

Beim Rangrücktritt stellt der Gläubiger seine Forderung zu Gunsten aller anderen Gläubiger im Insolvenzverfahren zurück, d.h. seine Forderung wird zuletzt bedient. Das zivilrechtliche Bestehen oder die Höhe der Forderung wird dadurch grundsätzlich nicht tangiert. Bei der Prüfung, ob eine Überschuldung oder (drohende) Zahlungsunfähigkeit im insolvenzrechtlichen Sinne vorliegt, sind nachrangige Verbindlichkeiten jedoch nicht zu berücksichtigen. Die Frage, ob die Verbindlichkeit, für die der Gläubiger den Rangrücktritt erklärt hat, weiterhin in der Handels- und Steuerbilanz zu passivieren ist, hat die Gerichte in den letzten Jahren mehrmals beschäftigt. In seinem Urteil vom 15. April 2015 hat der Bundesfinanzhof (BFH) ausgeführt, dass eine Verbindlichkeit erfolgswirksam ausgebucht werden muss, wenn die Rangrücktrittsvereinbarung lediglich eine Rückzahlung im Fall eines Bilanzgewinns oder eines Liquidationsüberschusses vorsieht. Dabei gab der BFH den Hinweis, dass die unerwünschte Folge der Ausbuchung im verhandelten Fall hätte vermieden werden können, wenn die Vereinbarung eine Rückzahlung aus „sonstigem freien Vermögen“ vorgesehen hätte. Als Folge dieses Urteils wurden in der Praxis vielfach die bestehenden Rangrücktrittsvereinbarungen überprüft und entsprechend angepasst. Im Urteil vom 19. August 2020 musste sich der BFH mit der Frage auseinandersetzen, ob eine solche Verbindlichkeit selbst dann nicht ausgebucht werden muss, wenn der Schuldner mangels operativer Geschäftstätigkeit zum Bilanzstichtag absehbar gar nicht in der Lage sein wird, sonstiges freies Vermögen zu schaffen, aus dem die Verbindlichkeit in Zukunft getilgt werden könnte. Der BFH hat dies bestätigt: das steuerliche (auf künftige Einnahmen bzw. Gewinn abstellende) Passivierungsverbot greife nicht und aufgrund des handelsrechtlichen Vollständigkeitsgebots sei die Verpflichtung bilanziell zu erfassen, auch wenn der Schuldner am Bilanzstichtag nicht in der Lage ist, freies Vermögen zu schaffen, um sie zu bedienen. Mit seinem Urteil vom 19. August 2020 hat der BFH somit Rechtssicherheit geschaffen. Der Verweis auf eine Rückzahlung aus „sonstigem freien Vermögen“ ist ausreichend um eine bilanzielle Ausbuchung der Verbindlichkeit zu vermeiden.

Patronatserklärung

Eine Patronatserklärung stellt keinen eigenständigen Rechtsbegriff dar, sondern bezieht sich auf eine Sammelbezeichnung für Erklärungen, nach denen sich der Patron verpflichtet, auf die wirtschaftliche Lage und das Verhalten des Patronierten Einfluss zu nehmen. Der häufigste Anwendungsfall ist die Patronatserklärung als Kreditsicherungsmaßnahme innerhalb eines Konzerns. Hier tritt meist die Muttergesellschaft als Patron zugunsten ihres Tochterunternehmens auf. Rechtsverbindlich und somit praktisch relevant ist nur die sog. „harte“ Patronatserklärung. Bei der harten Patronatserklärung verpflichtet sich die Muttergesellschaft dazu, z.B. dafür Sorge zu tragen, dass die Tochtergesellschaft ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen kann oder dass eine bestimmte Kapitalausstattung aufrechterhalten wird. Die Patronatserklärung wird häufig in betraglicher und/oder zeitlicher Hinsicht begrenzt. Eine Kündigung ist nur für die Zukunft möglich. Die Patronatserklärung kann intern ggü. dem Tochterunternehmen oder extern ggü. einem Dritten (i.d.R. Gläubiger des Tochterunternehmens) abgegeben werden.

Die Abgabe einer harten Patronatserklärung führt zunächst zu keinerlei bilanziellen Auswirkungen. Allerdings sind sie i.d.R. als sog. Haftungsverhältnisse zu qualifizieren, die einem Vermerk unterhalb der Bilanz (§ 251 HGB) bzw. zu einer Anhangsangabe (§ 268 Abs. 7 HGB) führt. Erst wenn sich die wirtschaftliche Lage des Tochterunternehmens soweit verschlechtert, dass mit der Inanspruchnahme des Patrons aus der Patronatserklärung zu rechnen ist, hat dieser hierfür eine Rückstellung zu passivieren.

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