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BMF gewährt Übergangsregelung zur geänderten Rechtsprechung bei Betriebsaufspaltung

Zur Gewährung der erweiterten Grundstückskürzung in den Fällen einer Betriebsaufspaltung gab es im Jahr 2021 ein wichtiges BFH-Urteil. Das Bundesministerium der Finanzen hat am 22. November 2022 gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden veröffentlicht, in denen zum Urteil Stellung bezogen wird und eine Billigkeitsmaßnahme bis Ende 2023 gewährt wird.

Die Betriebsaufspaltung kurz erklärt

Die Vermietung oder Verpachtung einer wesentlichen Betriebsgrundlage durch ein sogenanntes Besitzunternehmen an ein gewerbliches Betriebsunternehmen stellt ertragsteuerlich – soweit in beiden Unternehmen ein einheitlicher geschäftlicher Betätigungswille von den Gesellschaftern der beiden Unternehmen umgesetzt werden kann – eine sog. Betriebsaufspaltung dar. Besitz- und Betriebsunternehmen bleiben bei einer Betriebsaufspaltung zwar rechtlich und steuerlich eigenständige Unternehmen. Allerdings kommt es zur Umqualifizierung der Tätigkeit des Besitzunternehmens von einer Vermietungs- oder Verpachtungstätigkeit – also vermögensverwaltenden Tätigkeit – in eine originär gewerbliche Tätigkeit, die auch der Gewerbesteuer unterliegt. Außerdem gehören die überlassene, wesentliche Betriebsgrundlage sowie die übrigen Wirtschaftsgüter nunmehr zum steuerlichen Betriebsvermögen und die Anteile an der Betriebskapitalgesellschaft stellen im Falle einer Personengesellschaft als Besitzgesellschaft Sonderbetriebsvermögen dar. Fallen die Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung (bewusst oder unbewusst) weg, führt dies grundsätzlich zu einer steuerpflichtigen Betriebsaufgabe mit Aufdeckung aller vorhandenen stillen Reserven und somit zur vollen Gewinnrealisierung.

Wesentliche Voraussetzung der Betriebsaufspaltung ist die personelle Verflechtung zwischen dem Besitz- und dem Betriebsunternehmen. Diese liegt vor, wenn eine Person oder Personengruppe beide Unternehmen in der Weise beherrschen, dass sie in der Lage sind, in beiden Unternehmen einen einheitlichen Geschäfts- und Betätigungswillen durchzusetzen. Bislang ging die Rechtsprechung davon aus, dass eine lediglich mittelbare Beherrschung einer Besitzpersonengesellschaft über eine zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft keine personelle Verflechtung begründet, da die Kapitalgesellschaft insofern abschirmt.

Das BFH-Urteil vom 16. September 2021

Von dieser Rechtsprechung ist der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 16. September 2021 (IV R 7/18) ausdrücklich abgewichen. Demnach reicht auch eine mittelbare Beteiligung an einer Besitzpersonengesellschaft über eine Kapitalgesellschaft aus, um eine personelle Verflechtung als Voraussetzung einer Betriebsaufspaltung anzunehmen. Bislang war dies nur in Bezug auf die Betriebsgesellschaft anerkannt.

Bei der Beurteilung der personellen Verflechtung als Voraussetzung für eine Betriebsaufspaltung ist also nach Meinung des BFHs sowohl im Fall des Betriebs- als auch des Besitzunternehmens (soweit in Form einer Personengesellschaft) auch eine Beteiligung zu berücksichtigen, die lediglich mittelbar über eine Kapitalgesellschaft besteht. Auch in diesen Fällen stellt die Vermietung damit eine gewerbliche Tätigkeit dar und somit scheidet bspw. auch eine Inanspruchnahme der sog. erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG, d.h. die faktische Gewerbesteuerfreiheit von gewerblichen Vermietungseinkünften aus, da es sich um eine Betriebsaufspaltung handelt.

Billigkeitsmaßnahmen der Finanzverwaltung

Die Finanzbehörden der obersten Länder haben sich mit gleich lautenden Erlassen vom 22. November 2022 nunmehr offiziell zur Anwendung des BFH-Urteils vom 16. September 2021 geäußert. Aus Vertrauensschutzgründen und um die Auswirkungen ein wenig abzumildern, soll die Anwendung allerdings erst ab dem Veranlagungszeitraum 2024 erfolgen. Ab diesem Zeitpunkt ist die erweiterte gewerbesteuerliche Grundstückskürzung bei Vorliegen einer solchen Betriebsaufspaltung zu versagen. Danach kann der Gewerbeertrag nur noch im Rahmen der einfachen Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG um 1,2% des Einheitswerts des Grundbesitzes gekürzt werden.

Die Finanzbehörden der Länder weisen jedoch auch darauf hin, dass die Rechtsprechung des BFH zur fehlenden personellen Verflechtung zwischen Schwesterkapitalgesellschaften weiterhin Anwendung findet.

Praxishinweise

Durch die Übergangsregelung der Finanzverwaltung wird dem Steuerpflichtigen ein Aufschub gewährt, bereits existierende Strukturen, in denen die Begründung einer Betriebsaufspaltung durch die Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft auf Seiten des Besitzunternehmens bisher verhindert wurde, insofern umzugestalten, um die steuerlichen Folgen der neuen Rechtsprechung noch rechtzeitig zu verhindern. Um weiterhin die erweiterte Gewerbesteuerkürzung in Anspruch zu nehmen, wäre es demnach u.a. möglich, die Besitzpersonengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft umzuwandeln.

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