Die „Optionsfalle“ bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer

Bei unentgeltlichen Erwerben begünstigungsfähiger Betriebsvermögen im Sinne des § 13b Abs. 1 ErbStG besteht die Möglichkeit, anstelle der Regelverschonung in Höhe von 85%, einen unwiderruflichen Antrag auf Optionsverschonung zu stellen, der einen Verschonungsabschlag von 100% gewährt, also das Vermögen zu 100% steuerfrei stellt.

Voraussetzung der Optionsverschonung ist, dass der Anteil des übertragenen Verwaltungsvermögens 20% des gemeinen Werts des Betriebs nicht übersteigt. Stellt sich nach Antragstellung (beispielsweise durch eine Betriebsprüfung) heraus, dass die Grenze des Verwaltungsvermögens von 20% nun doch überschritten wird, können sich gravierende steuerliche Nachteile ergeben.

Der BFH hat in dem jüngst ergangenen Urteil vom 26. Juli 2022 die bisherige restriktive Auffassung der Finanzverwaltung weitgehend bestätigt und Folgendes entschieden:

  • Die Verwaltungsvermögensquote ist für jede übertragene wirtschaftliche Einheit gesondert zu ermitteln, auch bei einheitlichen Schenkungen mehrerer wirtschaftlicher Einheiten. Dies entspricht der bisherigen Praxis der Finanzverwaltung.
  • Der Antrag auf Optionsverschonung kann für jede erworbene wirtschaftliche Einheit gesondert abgegeben werden. Dies widerspricht der Auffassung der Finanzverwaltung in den Erbschaftsteuerrichtlinien, die im Erbfall insgesamt nur einen einheitlichen Antrag für alle Arten des erworbenen Betriebsvermögens zulassen.
  • Wird für eine wirtschaftliche Einheit die Optionsverschonung beantragt und später festgestellt, dass die Verwaltungsvermögensquote von 20% überschritten wurde, ist für diese wirtschaftliche Einheit weder die Optionsverschonung noch die Regelverschonung von 85% zu gewähren, sodass das Vermögen in voller Höhe der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer unterliegt. Mit dieser Gesetzesauslegung verschärft der BFH die bisherige Verwaltungspraxis, da die Finanzverwaltung bislang zumindest die Regelverschonung gewährt hat, wenn das Verwaltungsvermögen aller übertragenen wirtschaftlichen Einheiten mehr als 20% betrug oder nur eine Einheit übertragen wurde, deren Verwaltungsvermögensquote 20% überschritten hat.

Das BFH-Urteil ist insoweit zu begrüßen, dass Anträge für mehrere wirtschaftliche Einheiten separat, also objektbezogen gestellt werden können. Damit lässt sich das Risiko wie im vorliegend entschiedenen Fall vermindern, dass mit einem einheitlichen Antrag auf Optionsverschonung die Regelverschonung für alle Einheiten gefährdet werden, die die Anforderungen der Optionsverschonung nicht erfüllen. Nachteilig würde sich allerdings auswirken, dass die fehlgeschlagene Optionsverschonung stets auch zur Verwehrung der Regelverschonung führt. Es bleibt abzuwarten, wie die Finanzverwaltung auf das Urteil reagiert.

Zu beachten ist zudem, dass sich durch die Antragstellung die erforderliche Mindestlohnsumme von 400% auf 700% erhöht und die Behaltensfrist von fünf auf sieben Jahre steigt. Bei Verstoß entfällt die Steuerbefreiung (ggf. anteilig) rückwirkend, sodass im Vergleich zur Regelverschonung eine höhere Nachversteuerung drohen kann.

Fazit

Der Antrag auf die 100%ige Optionsverschonung kann mit einem hohen Risiko verbunden sein, da dieser unwiderruflich gestellt wird und daher schnell zur „Optionsfalle“ werden kann. Zu beachten ist zudem, dass die 20%-Grenze des Verwaltungsvermögens von vielen Faktoren, insbesondere der Bewertung von Grundstücken abhängt.

KARRIERE
Scroll down Scroll down