Die sog. „Katastrophenerlasse“ der Finanzverwaltung zu den steuerlichen Folgen der Flut

Durch die Unwetter im Juni und Juli 2021 sind auch in Bayern beträchtliche Schäden entstanden. Da die Beseitigung dieser Schäden erhebliche finanzielle Belastungen verursacht, hat die bayerische Finanzverwaltung mit Schreiben vom 26. Juli 2021 (sog. „Unwettererlasse“) eine Reihe von steuerlichen Maßnahmen verabschiedet, um unbillige Härten zu vermeiden und unbürokratische Hilfe zu ermöglichen.

Im Folgenden stellen wir Ihnen einige dieser Maßnahmen vor.

Stundungs- und Vollstreckungsmaßnahmen sowie Anpassungen der Vorauszahlungen

Nachweislich unmittelbar und nicht unerheblich betroffene Steuerpflichtige können bis zum 31. Oktober 2021 Anträge auf Stundung der bis zu diesem Zeitpunkt bereits fälligen oder fällig werdenden Steuern des Bundes und des Landes stellen. Zudem können Anträge auf Anpassung der Vorauszahlungen auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer sowie die Umsatzsteuer gestellt werden. Die Stundungen sind längstens bis zum 31. Januar 2022 zu gewähren.

Nachweis steuerbegünstigter Zuwendungen

Anstatt der sonst erforderlichen Zuwendungsbestätigung genügt als Nachweis der Zuwendungen, die bis zum 31. Oktober 2021 zur Hilfe in Katastrophenfällen auf ein für den Katastrophenfall eingerichtetes Sonderkonto eingezahlt werden, der Bareinzahlungsbeleg oder die Buchungsbestätigung eines Kreditinstituts.

Verlust von Buchführungsunterlagen

Falls unmittelbar durch das Schadensereignis Buchführungsunterlagen und sonstige Aufzeichnungen vernichtet oder verloren wurden, sind hieraus steuerlich keine nachteiligen Folgerungen zu ziehen. Der betroffene Steuerpflichtige sollte die Vernichtung bzw. den Verlust zeitnah dokumentieren und soweit wie möglich nachweisen oder glaubhaft machen.

Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Lohnsteuer

1. Sonderabschreibungen beim Wiederaufbau von Betriebsgebäuden und bei Ersatzbeschaffung beweglicher Anlagegüter

Aufwendungen zum Wiederaufbau ganz oder zum Teil zerstörter Gebäude (Ersatzherstellung), bei denen es sich nicht um Erhaltungsaufwand handelt, können auf Antrag im Wirtschaftsjahr der Fertigstellung und in den beiden folgenden Wirtschaftsjahren von den (Wieder-)Herstellungskosten bis zu insgesamt 30% sonderabgeschrieben werden. Die Afa berechnet sich nach der Bemessungsgrundlage vor Eintritt des Schadensereignisses, gemindert um etwaige Teilwertabschreibungen oder Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung und erhöht um die Wiederherstellungskosten.

Bei beweglichen Anlagegütern, die als Ersatz für vernichtete oder verloren gegangene bewegliche Anlagegüter angeschafft oder hergestellt worden sind, kann auf Antrag im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung und in den beiden folgenden Wirtschaftsjahren eine Sonderabschreibung bis zu insgesamt 50% vorgenommen werden.

2. Bildung von Rücklagen

Für die Ersatzbeschaffung unbeweglicher und beweglicher Anlagegüter kann auf Antrag in besonders begründeten Ausnahmefällen die Bildung einer Rücklage in Wirtschaftsjahren vor dem Wirtschaftsjahr der Ersatzherstellung bzw. -beschaffung zugelassen werden. Die Rücklage ist auf 30% der Herstellungskosten bzw. 50% der Anschaffungskosten beschränkt.

3. Wiederherstellung beschädigter Betriebsgebäude und beschädigter Anlagegüter

Aufwendungen für die Wiederherstellung beschädigter Betriebsgebäude und beschädigter beweglicher Anlagegüter können ohne nähere Prüfung als Erhaltungsaufwand anerkannt werden, wenn mit der Wiederherstellung innerhalb von 3 Jahren nach dem schädigenden Ereignis begonnen wurde und die bisherigen Buchwerte weitergeführt werden. Diese Grundsätze gelten entsprechend für Gebäude, die zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung genutzt werden.

4. Sonderregelungen für die Land- und Forstwirtschaft

Bei Landwirten, die ihren Gewinn nach § 13a EStG ermitteln, kann die darauf entfallende Einkommensteuer ganz oder zum Teil erlassen werden, soweit durch das Schadensereignis Ertragsausfälle eingetreten sind und keine Ansprüche aus Versicherungsleistungen bestehen. Aufwendungen für die Herrichtung und Wiederanpflanzung zerstörter Anlagen können ohne nähere Prüfung als sofort abziehbare Betriebsausgaben behandelt werden, wenn der bisherige Buchwert beibehalten wird.

5. Lohnsteuer

Beihilfen und Unterstützungen des Arbeitgebers an seine geschädigten Arbeitnehmer können bis zu EUR 600 je Kalenderjahr lohnsteuerfrei sein. Die ansonsten geltenden Voraussetzungen gem. R 3.11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 3 LStR brauchen nicht vorzuliegen. Unterstützungen, die EUR 600 überschreiten, können auch dann lohnsteuerfrei gewährt werden, wenn unter Berücksichtigung der Einkommens- und Familienverhältnisse ein besonderer Notfall, wie das Hochwasser vorliegt. Dazu zählen bis zum 31. Oktober 2021 auch:

  • Zinsvorteile für Darlehen, die zur Beseitigung von Schäden aufgenommen wurden
  • Nutzungsüberlassung eines betrieblichen Kfz an Arbeitnehmer, deren privates Fahrzeug durch das Schadensereignis zerstört wurde
  • Nutzungsüberlassung von Wohnungen und Unterkünften
  • Gewährung unentgeltlicher Verpflegungen an Arbeitnehmer und deren Angehörige, oder
  • Andere Sachzuwendungen

Die steuerfreien Leistungen sind im Lohnkonto aufzuzeichnen und es ist zu dokumentieren, dass der Arbeitnehmer durch das Hochwasser zu Schaden gekommen ist. Weiterhin gilt zu beachten, dass die steuerfreie Unterstützung die Höhe des Schadens nicht übersteigen darf.

Des Weiteren bleiben sog. Arbeitslohnspenden (Verzicht auf die teilweise Auszahlung des Arbeitslohns zugunsten eines betroffenen Kollegen oder einer spendenempfangsberechtigten Einrichtung) lohnsteuerfrei, soweit die Aufzeichnungspflichten erfüllt werden. Allerdings dürfen diese Spenden nicht mehr im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung berücksichtigt werden.

Aufwendungen für die Wiederbeschaffung existenziell notwendiger Gegenstände (Wohnung, Hausrat, Kleidung) oder für die Beseitigung von Schäden an dem eigengenutzten Wohneigentum können als außergewöhnliche Belastungen im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung berücksichtigt werden. Das Fehlen einer Elementarversicherung ist unschädlich.

6. Umsatzsteuer

Werden Unterkünfte unentgeltlich Personen zur Verfügung gestellt, die infolge der Hochwasserkatastrophen Ende Juni und Juli 2021 obdachlos geworden sind oder als Helfer in den Krisengebieten tätig sind, entfällt die Umsatzbesteuerung als unentgeltliche Wertabgabe und die Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG, wenn diese ursprünglich für eine umsatzsteuerpflichtige Verwendung vorgesehen waren befristet bis zum 31. Dezember 2021.

Zudem werden die folgenden unentgeltlichen Wertabgaben nicht umsatzbesteuert, sofern diese unmittelbar den von der Hochwasserkatastrophe betroffenen Menschen zugutekommen:

  • Unentgeltliche Verwendung von dem Unternehmen zugeordneten Gegenständen zur Suche und Rettung von Flutopfern und Beseitigung der Hochwasserschäden
  • Unentgeltliche Erbringung einer sonstigen Leistung (z.B. Personalstellung, Aufräumarbeiten mit eigenem Gerät und Personal)
  • Sachspenden von Lebensmittel, Tierfutter, Güter für den täglichen Bedarf und Gegenstände zur unmittelbaren Bewältigung des Unwetterereignisses

7. Schenkungsteuer – Zuwendungen für steuerbegünstigte Zwecke im Sinne von §§ 51 ff. AO

Zuwendungen an die hilfsbedürftigen Personen im Zusammenhang mit den Unwetterereignissen im Juni und Juli 2021 sind von der Schenkungsteuer gem. § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG befreit. Bei Zuwendungen bis zum 31. Oktober 2021 an unmittelbar Geschädigte wird die Zweckwidmung und die Zwecksicherung unterstellt.

Mit der Pressemitteilung vom 4. August 2021 hat das Bayrische Finanzministerium zudem mitgeteilt, dass Betroffene auf Antrag die Abgabefrist für nach dem 28. Juni 2021 abzugebende Jahressteuererklärungen (also insbesondere die am 31. August 2021 fälligen Jahressteuererklärungen für 2019) bis zum 2. November 2021 verlängern können.

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