EuGH: Veranlagungswahlrecht auch bei Ansässigkeit in der Schweiz
Hintergrund
Beschränkt Steuerpflichtige können eine Veranlagung zur Einkommensteuer bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nur beantragen, wenn es sich um Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der EU oder des EWR handelt und diese im Hoheitsgebiet einer dieser Staaten ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.
Demnach ist ein in der Schweiz ansässiger deutscher Arbeitnehmer von dem Wahlrecht zur Antragsveranlagung zur Einkommensteuer ausgeschlossen. Dieser kann insbesondere keine steuermindernden Werbungskosten, d. h. mit der in Deutschland steuerpflichtigen Beschäftigung zusammenhängende Aufwendungen, außerhalb des Lohnsteuerabzugsverfahrens geltend machen.
Das Finanzgericht Köln erachtet den Ausschluss einer Antragsveranlagung als europarechtswidrig und hat den Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Mit Urteil vom 30. Mai 2024 - C-627/22 stimmt der EuGH den Bedenken des Finanzgerichtes zu.
Entscheidung des EuGH
Der EuGH setzt sich in dem oben genannten Urteil mit der Frage auseinander, ob das zwischen der EU und der Schweiz geschlossene Freizügigkeitsabkommen (FZA) der deutschen Regelung entgegensteht, nach der das Recht, für Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit die Antragsveranlagung zu wählen, insbesondere nicht einem Staatsangehörigen offensteht, der seinen Wohnsitz in der Schweiz hat.
Der EuGH kommt dabei zu dem Ergebnis, dass die deutsche Regelung eine Ungleichbehandlung nach dem Wohnsitz des Arbeitnehmers darstellt, da ein deutscher Staatsangehöriger mit Wohnsitz in der Schweiz dieses Wahlrecht nicht in Anspruch nehmen kann und keinen Anhaltspunkt vorliegen, dass der Wohnsitz eines Steuerpflichtigen in der Schweiz seine Situation objektiv anders gestaltet als die eines in Deutschland ansässigen Steuerpflichtigen.
Auch ist die Ungleichbehandlung nicht durch die Gewährleistung der Kohärenz des Steuersystems zu rechtfertigen. So der EuGH: Die Versagung einer Antragsveranlagung ist keine geeignete Maßnahme, um die Besteuerung sowie die Zahlung und die tatsächliche Erhebung der Steuern zu gewährleisten oder Steuerflucht zu verhindern.
Fazit
Der Gesetzgeber ist nun aufgefordert, § 50 EStG entsprechend den Vorgaben des EuGH anzupassen. Das Bundesministerium der Finanzen reagiert bereits mit Schreiben vom 5. August 2024 auf das EuGH-Urteil und gab bekannt, dass einem Antrag auf Veranlagung zur Einkommensteuer auch dann stattzugeben ist, wenn es sich bei der antragstellenden Person um einen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der EU oder des EWR handelt und diese Person in der Schweizerischen Eidgenossenschaft ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat.