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Gewerbliche Infektion durch „automatischen“ Übergang einer Erbengemeinschaft in eine GbR?

Sowohl die Erbengemeinschaft als auch die GbR sind Gesamthandsgemeinschaften. Im Unterschied zur GbR zeichnet sich die Erbengemeinschaft dadurch aus, dass sie keine werbende Gesellschaft ist, sondern ihr einziger Zweck in der Erhaltung und Verwaltung des Nachlassvermögens für die Nachlassgläubiger besteht.

Während die GbR auf gemeinsamen Willensübereinstimmungen und der Verfolgung eines gemeinsamen Zweckes beruht, entsteht die Erbengemeinschaft als Zufallsgemeinschaft, der es an einem gemeinsamen Zweck fehlt. Anders als eine Personengesellschaft ist die Erbengemeinschaft von vornherein zeitlich begrenzt und auf eine Beendigung durch Erbauseinandersetzung angelegt.

Häufig wird von der Finanzverwaltung vertreten, dass eine Erbengemeinschaft konkludent in eine GbR überführt werden kann, was zu wesentlichen Unterschieden in der Besteuerung führen würde. Denn eine Erbengemeinschaft kann ungeachtet der Vorschrift des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nebeneinander Gewinn- und Überschusseinkunftsarten erzielen, wohingegen eine GbR, welche eine - über die Bagatellgrenze hinausgehende - gewerbliche Tätigkeit ausübt oder Beteiligungen an gewerblichen Personengesellschaften hält, in vollem Umfang nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 EStG (Abfärbetheorie) als Gewerbebetrieb gilt. Dies hat zur Folge, dass sämtliche Einkünfte (z.B. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung) gewerblich infiziert und insbesondere Wirtschaftsgüter (z.B. Grundstücke) dem Betriebsvermögen zugeordnet werden, d.h. bspw. eine steuerfreie Veräußerung von Immobilien nicht möglich ist. Mit Urteil vom 19. Januar 2023 (IV R 5/19) hat der BFH entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung und des Finanzgerichts verdeutlicht, dass es gerade keine identitätswahrende „Umwandlung“ einer Erbengemeinschaft in eine GbR gibt, sondern eine solche Umwandlung durch die Miterben erkenntlich gemacht werden muss. Der gemeinsame Wille der Miterben könne beispielsweise in einem Gesellschaftsvertrag manifestiert werden. Soll erbengemeinschaftlicher Grundbesitz auf die GbR übergehen, muss der Gesellschaftsvertrag zudem notariell beurkundet sein und die GbR unter ihrer Bezeichnung im Grundbuch eingetragen werden.

Fazit:

Die Entscheidung des BFH stellt klar, dass aus einer Erbengemeinschaft nicht konkludent eine GbR entsteht. Vielmehr erfordert eine solche Umwandlung eine aktive Willensbekundung seitens der beteiligten Erben (z.B. in Form des Abschlusses eines Gesellschaftsvertrags). Die klare Unterscheidung zwischen Erbengemeinschaft und GbR ist insbesondere für die steuerliche Beurteilung der erzielten Einkünfte und insbesondere für die Zuordnung der Wirtschaftsgüter zum steuerlichen Privat- oder Betriebsvermögen grundlegend. Der Grundsatz, dass eine Erbengemeinschaft nebeneinander Gewinn- und Überschusseinkünfte erzielen kann, gilt im Falle der GbR aufgrund der Abfärbetheorie nicht.

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