Jahressteuergesetz 2020 verabschiedet

Pünktlich vor Jahresende wurde am 21. Dezember 2020 das Jahressteuergesetz 2020 verkündet. Es enthält zahlreiche Änderungen des Einkommensteuergesetzes, des Umsatzsteuergesetzes und des Erbschaftsteuergesetzes, die teilweise notwendige Anpassungen an das geltende EU-Recht sowie die Rechtsprechung des BFH und des EuGH beinhalten. Einige Änderungen stellen auch steuerliche Erleichterungen im Hinblick auf die Auswirkungen der Corona-Krise dar.

Im Vergleich zu dem ursprünglichen Gesetzesentwurf der Bundesregierung haben sich zudem einige Abweichungen ergeben, beispielswiese die Einführung einer Homeoffice-Pauschale, Anhebung der Freigrenze für Sachbezüge sowie Anhebung der Gewinngrenze beim Investitionsabzugsbetrag.

Nachfolgend haben wir Ihnen die wichtigsten Änderungen zusammengestellt.

 

1. Änderungen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber

§ 8 Abs. 2 Satz 11 EStG (Ausdehnung Bewertungsabschlag für unentgeltlicher Überlassung von Wohnung auf verbundene Unternehmen)

Vorteile, die der Arbeitgeber oder ein Dritter dem Arbeitnehmer auf Grund des Dienstverhältnisses in Form einer unentgeltlichen oder verbilligten Überlassung von Wohnraum gewährt, stellen nach § 19 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG einen steuerpflichtigen Sachbezug dar. Ab dem Kalenderjahr 2020 ist bei der Bewertung von bestimmten Mietvorteilen nach § 8 Abs. 2 Satz 12 EStG ein Bewertungsabschlag zu berücksichtigen (eingeführt durch JStG 2019). Dieser beträgt ein Drittel vom ortsüblichen Mietwert. Die nach Anwendung des Bewertungsabschlags ermittelte Vergleichsmiete ist dann Bemessungsgrundlage für die Bewertung der Mietvorteile. Durch eine Ergänzung dieser Vorschrift wird der Anwendungsbereich auf verbundene Unternehmen ausgeweitet (Konzernklausel).

Die Vorschrift gilt erstmals für Leistungen, die in einem nach dem 31. Dezember 2019 endenden Lohnzahlungszeitraum zugewendet werden.

Anhebung der Freigrenze für Sachbezüge (§ 8 Abs. 2 Satz 11 EStG)

Die monatliche Freigrenze für Sachbezüge in § 8 Abs. 2 Satz 11 wird von EUR 44 auf EUR 50 angehoben. Die neue Freigrenze gilt ab dem 1. Januar 2022.

Definition der Zusätzlichkeitsvoraussetzung bei Arbeitgeberleistungen (§ 8 Abs. 4 EStG)

Lohnzahlungen lassen sich steueroptimiert gestalten, indem Arbeitgeber ihren Mitarbeitern Arbeitslohn im Rahmen von Sachzuwendungen oder pauschal zu versteuernden Bezügen auszahlen. Voraussetzung für die Steuerbefreiungs- und Pauschalbesteuerung ist, dass die Zusatzleistungen tatsächlich auch „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ geleistet werden.

Mit der neuen Regelung in § 8 Abs. 4 EStG wird für das gesamte Einkommensteuergesetz klargestellt, dass nur echte Zusatzleistungen des Arbeitgebers steuerbegünstigt sind. Leistungen des Arbeitgebers oder auf seine Veranlassung eines Dritten (Sachbezüge oder Zuschüsse) für eine Beschäftigung werden nur dann "zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" erbracht,

  • wenn die Leistung nicht auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet,
  • der Anspruch auf Arbeitslohn nicht zugunsten der Leistung herabgesetzt,
  • die verwendungs- oder zweckgebundene Leistung nicht anstelle einer bereits vereinbarten künftigen Erhöhung des Arbeitslohns gewährt und
  • bei Wegfall der Leistung der Arbeitslohn nicht erhöht wird.

Die Vorschrift ist erstmals anzuwenden auf Leistungen des Arbeitgebers oder auf seine Veranlassung eines Dritten (Sachbezüge oder Zuschüsse), die in einem nach dem 31. Dezember 2019 endenden Lohnzahlungszeitraum oder als sonstige Bezüge nach dem 31. Dezember 2019 zugewendet werden.

Verlängerung des Auszahlungszeitraums des steuerfreien Corona-Zuschusses (§ 3 Nr. 11a EStG)

Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 11a EStG für aufgrund der Corona-Krise an Arbeitnehmer gezahlte Beihilfen und Unterstützungen bis zur Höhe von EUR 1.500 war bisher bis zum 31. Dezember 2020 befristet. Die Frist wird bis zum Juni 2021 verlängert. Die Fristverlängerung führt aber nicht dazu, dass eine Corona-Beihilfe im ersten Halbjahr 2021 nochmals in Höhe von EUR 1.500 steuerfrei bezahlt werden kann.

Steuerfreiheit von Outplacement-Beratung (§ 3 Nr. 19 EStG)

Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll oder die ausscheiden werden, können von ihren Arbeitgebern beraten werden, um sich beruflich neu zu orientieren und so eine Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Diese Beratungsleistungen, auch wenn sie von Dritten erbracht werden, sind zukünftig steuerfrei.

Verlängerung der Steuerbefreiung des Zuschuss Kurzarbeitergeld (§ 3 Nr. 28a EStG)

Die durch das Corona-Steuerhilfegesetz eingeführte begrenzte und befristete Steuerbefreiung der Zuschüsse des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld und zum Saison-Kurzarbeitergeld wird um ein Jahr verlängert. Die Steuerfreiheit gilt damit für Lohnzahlungszeiträume, die nach dem 29. Februar 2020 beginnen und vor dem 1. Januar 2022 enden.

Pauschaler Abzug häusliches Arbeitszimmer (§ 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG)

Mit der Home-Office-Pauschale als Teil des Arbeitnehmer-Pauschbetrags wird für die Jahre 2020 und 2021 eine unbürokratische steuerliche Berücksichtigung der Heimarbeit ermöglicht. Die Neuregelung sieht einen pauschalen Abzug von EUR 5/Tag, maximal EUR 600 im Jahr - das entspricht 120 Heimarbeitstagen - als Betriebsausgaben oder Werbungskosten vor. Die Pauschale wird nur für die Tage gewährt, an denen ausschließlich zu Hause gearbeitet wurde. Fahrtkosten (z.B. Entfernungspauschale) sind für diese Tage grundsätzlich nicht abziehbar. Aufwendungen für eine Jahreskarte für öffentliche Verkehrsmittel, wenn diese in Erwartung der Benutzung für den Weg zur Arbeit erworben wurde, sind davon unabhängig abziehbar. Die Home-Office-Pauschale wird auf den Werbungskostenpauschbetrag angerechnet.

Umfassender Datenaustausch Arbeitgebern, Finanzverwaltung und privaten Kranken- und Pflegeversicherungen anstatt Papierbescheinigungen (§ 39 Abs. 4 EStG)

Die Einführung eines Datenaustauschs zwischen den Unternehmen der privaten Krankenversicherung, der Finanzverwaltung und den Arbeitgebern soll die im Lohnsteuerabzugsverfahren bestehenden Verfahren mittels Papierbescheinigungen vollständig ersetzen (§§ 39 ff. EStG).

Die Neuregelungen können im Rahmen eines Pilotprojekts bereits ab dem 1. Januar 2023 angewendet werden (Echtdaten). Der Regelbetrieb soll ab dem 1. Februar 2024 starten.

2. Änderungen bei Vermietung und Verpachtung und bei den Kapitaleinkünften

Erhöhte Abschreibungen nach § 7h und § 7i EStG bei offensichtlich rechtswidrigen Bescheinigungen:

Um Baumaßnahmen in Sanierungsgebieten und städtebaulichen Entwicklungsgebieten sowie Baumaßnahmen an Baudenkmälern zu fördern, gewährt der Gesetzgeber steuerlich erhöhte Abschreibungssätze und schafft hierdurch für die betreffenden Modernisierungsmaßnahmen steuerliche Vorteile in Form eines Steuerstundungseffekts.

Gemäß § 7h Abs. 2 EStG bzw. § 7i Abs.2 EStG kann ein Steuerpflichtiger die erhöhten Absetzungen nur in Anspruch nehmen, wenn er durch eine Bescheinigung der zuständigen Bescheinigungsbehörde das Vorliegen der Voraussetzung der Steuerbegünstigungsvorschrift für die entsprechende Baumaßnahme nachweisen kann. Der BFH hat wiederholt entschieden, dass eine Bescheinigung nach § 7h Absatz 2 EStG unabhängig von deren Rechtmäßigkeit für die Finanzverwaltung bindend ist.

Um diesen Missstand zu beheben, hat der Gesetzgeber in einem neu gefassten § 7h Abs.2 EStG sowie § 7i Abs.2 EStG geregelt, dass eine solche vorlagepflichtige offensichtlich rechtswidrige Bescheinigung für die Finanzverwaltung keine Bindungswirkung entfaltet. Eine Bescheinigung gilt als offensichtlich rechtswidrig, wenn entweder die Rechtsgrundlage für die Erteilung einer Bescheinigung fehlt oder aber der Steuerpflichtige die Bescheinigung durch Angaben erwirkt hat, die im Wesentlichen unvollständig oder unrichtig waren.

Verbilligte Vermietung nach § 21 Abs.2 EStG:

Der Gesetzgeber ging in der bisherigen Regelung des § 21 Absatz 2 Satz 1 EStG typisierend davon aus, dass im Falle einer verbilligten Vermietung einer Wohnung zu weniger als 66 Prozent der ortsüblichen Marktmiete, die Nutzungsüberlassung in einen entgeltlichen Teil und einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen ist, wobei die Werbungskosten nur quotal in Höhe des entgeltlich vermieteten Teils der Wohnung von den Mieteinnahmen abgezogen werden können.

Nach der Neuregelung des § 21 Absatz 2 Satz 1 EStG wird nun die bisherige 66 Prozent – Grenze für die pauschale Aufteilung in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil auf 50 Prozent herabgesetzt werden.

Für den Fall, dass das Mietentgelt zwischen 50 und 66 Prozent der ortsüblichen Miete liegt, ist jedoch eine sog. Totalüberschussprognose zur Feststellung der Einkunftserzielungsabsicht durchzuführen. Nur im Falle einer positiven Totalüberschussprognose ist ein uneingeschränkter Werbungskostenabzug möglich.

Die Neuerung des § 21 Absatz 2 Satz 1 EStG findet Anwendung ab dem Veranlagungszeitraum 2021, um den vielerorts steigenden Mieten und dem hohen Mietniveau in Ballungsräumen Rechnung zu tragen.

Neuerung bei Umtausch- und Aktienanleihen, gem. § 20 Abs. 4a S. 3 EStG

Die bisherige Regelung des § 20 Abs. 4a S. 3 EStG ermöglichte es seit Einführung der Abgeltungssteuer, dass sonstige Kapitalforderungen steuerneutral in andere Wertpapiere umgewandelt werden konnten. Von dem Gesetzeswortlaut waren insbesondere Umtauschanleihen und Aktienanleihen sowie auch sonstigen Kapitalforderungen umfasst, bei denen der Inhaber anstatt der Auszahlung auch den Umtausch in Wertpapiere verlangen kann. Nach der Vorschrift des § 20 Abs. 4a S. 3 EStG erfolgte ein solcher Wertpapiertausch unter Fortführung der Anschaffungskosten ohne Gewinnrealisation. Die bisherige Regelung folgt dem Rechtsgedanken, dass bei einem solchen Wertpapiertausch keine Liquidität fließt, die seitens der Bank einem Kapitalertragsteuerabzug zugänglich wäre.

Mit der Neuregelung des § 20 Abs. 4a S. 3 EStG werden von dem Regelungsbereich des steuerneutralen Wertpapiertausches nur noch das Andienungsrecht auf Aktien begünstigt. Bei einem Wertpapiertausch mit anderen Wertpapieren ist nach der Neuregelung für steuerliche Zwecke eine Veräußerung unter voller Gewinnrealisation anzunehmen, die künftig der Besteuerung unterliegt.

Mit der Neuregelung sollen nach dem Willen des Gesetzgebers rechtsmissbräuchliche Gestaltungen unterbunden werden, bei denen durch gegenläufige Wertpapiergeschäfte unter Ausnutzung eines steuerneutralen Wertpapiertausches einerseits bei den Einkünften aus Kapitalvermögen steuerlich zu berücksichtigende Verluste generiert werden und andererseits steuerfreie Gewinne erzielt werden.

Die Neuregelung des § 20 Abs. 4a S. 3 EStG gilt für Wertpapiere, die nach dem 31.12.2020 angedient werden.

Anhebung Höchstbetrag der Verlustverrechnung nach § 20 Abs. 6 S. 5 und 6 EStG

Mit dem JStG 2019 wurde in § 20 Abs. 6 EStG eine Verlustverrechnungsbeschränkung für Verluste aus Termingeschäften sowie für Verluste aus der Uneinbringlichkeit von Kapitalforderungen eingeführt.

Die Regelung zur bisherigen Verlustverrechnungsbeschränkung des § 20 Abs. 6 EStG lässt sich wie folgt zusammenfassen:

  • Verluste aus Termingeschäften (insbesondere Optionen) können nur noch mit Gewinnen aus Termingeschäften verrechnet werden. Die Verlustverrechnung wurde dabei nach der Altregelung auf EUR 10.000 pro Jahr beschränkt. Darüberhinausgehende Verluste können erst in den Folgejahren mit Gewinnen aus Termingeschäften (nach der Altregelung bis maximal EUR 10.000) verrechnet werden.
  • Ebenso können Verluste aus der ganz oder teilweisen Uneinbringlichkeit von Kapitalforderungen oder aus der Ausbuchung, der Übertragung oder dem sonstigen Ausfall wertloser Kapitalanlagen zukünftig nur noch bis zu maximal EUR 10.000 pro Jahr (nach der Altregelung) mit anderen Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden. Auch hier ist der Vortrag nicht genutzter Verluste auf Folgejahre (nach der Altregelung bis zu maximal EUR 10.000) vorgesehen.

Mit dem JStG 2020 wird diese Verlustverrechnungsbeschränkung für das Verlustentstehungsjahr sowie die Verrechnung des vortragsfähigen Verlustes von jeweils EUR 10.000 EUR auf EUR 20.000 angehoben.

Die Anhebung der Verlustverrechnung von EUR 10.000 auf EUR 20.000 gilt für Verluste aus der ganz oder teilweisen Uneinbringlichkeit von Kapitalforderungen oder aus der Ausbuchung, der Übertragung oder dem sonstigen Ausfall wertloser Kapitalanlagen rückwirkend für Verluste, die nach dem 31.12.2019 entstanden sind.

Für Verluste aus Termingeschäften gilt die Verlustverrechnungsbeschränkung auch nach bisheriger Regelung erst für Verluste, die nach dem 31.12.2020 entstehen.

Ausweitung des Ausnahmetatbestands nach § 32 d Abs. 2 Nr. 1 Bst. b EStG

Unter den Voraussetzungen der bisherigen Regelung des § 32 d Abs. 2 Nr. 1 Bst. b EStG unterlagen Kapitalerträge nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 7 EStG nicht dem 25%-igen Kapitalertragsteuersatz, sondern auf Ebene des Einkünfteempfängers dem tariflichen Einkommensteuertarif. Betroffen hiervon sind Kapitalerträge nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 7 EStG (wie z.B. Zinsen aus typisch stillen Beteiligungen oder Darlehen), soweit diese von einer Kapitalgesellschaft an einen Gesellschafter gezahlt werden, der zu mindestens 10 % an der zinszahlenden Gesellschaft beteiligt ist.

Nach dem JStG 2020 wird dieser Ausnahmetatbestand um die Voraussetzung ergänzt, dass eine Besteuerung mit dem tariflichen Einkommensteuersatz nur dann zur Anwendung kommt, wenn die den Kapitalerträgen entsprechenden Aufwendungen bei dem Schuldner als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten berücksichtigt wurden.

Die zusätzliche Tatbestandsvoraussetzung des § 32 d Abs. 2 Nr. 1 Bst. b EStG wird grundsätzlich keinen Einfluss auf die laufenden Kapitalerträge haben, jedoch werden künftig potenzielle Substanzverluste aus Gesellschafterdarlehen (z.b. bei Ausfall) massiv von der Neuregelung betroffen sein. Denn Substanzverlusten aus Gesellschafterdarlehen werden regelmäßig keine Betriebsausgaben auf Ebene der Gesellschaft gegenüberstehen, so dass diese Verluste nicht im Rahmen der tariflichen Einkommensteuer berücksichtigt werden können, sondern künftig dem Besteuerungsregime der Abgeltungssteuer unterliegen.

Dies kann jedoch nur gelten, wenn die Substanzverluste nicht vorrangig als nachträgliche Anschaffungskosten auf die Anteile an der darlehensnehmenden Kapitalgesellschaft zu qualifizieren sind, gem. § 20 Abs. 8 EStG i.V.m. § 17 Abs. 2a EStG.

Grundsätzlich ist die Neuerung auf Kapitalerträge anzuwenden, die nach dem 31.12.2020 erzielt werden. Auf Kapitalerträge aus Darlehen an die Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft, deren rechtliche Grundlage vor dem 01.01.2021 begründet wurde, ist die Neuregelung ab dem Veranlagungszeitraum 2024 anzuwenden.

Diverse Änderung im InvStG

Im Rahmen des JStG 2020 wurden auch diverse Änderungen im Bereich des Investmentsteuergesetzes verabschiedet. Insbesondere erfolgte eine weitere Verschärfung hinsichtlich des Wechsels der Teilfreistellungssätze. Künftig ist der Gewinn aus der fiktiven Veräußerung wegen eines Teilfreistellungwechsels sofort steuerpflichtig zu stellen.

3. Sonstige ertragsteuerliche Änderungen

Steuerfreiheit von ausländischem Elterngeld nach § 3 Nr. 2 EStG

Bisher waren von der Steuerbefreiung des § 3 Nr. 2 Bst. e EStG nur in Deutschland gezahltes Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz und vergleichbare Leistungen i.S.d. § 3 Nr. 67 Bst. b EStG erfasst. Mit dem JStG 2020 wurde der Anwendungsbereich der Steuerbefreiung nun auch auf mit dem Elterngeld vergleichbare Sozialleistungen aus den EU- / EWR-Staaten sowie aus der Schweiz erweitert.

Die Neuregelung gilt ab dem 01.01.2021.

Anhebung des Übungsleiter- und Ehrenamtsfreibetrags nach § 3 Nr. 26 und Nr. 26a EStG

Die Einnahmen aus einer nebenberuflichen Tätigkeit als Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher, sowie die Einnahmen aus einer nebenberuflichen Pflege alter, kranker oder behinderter Menschen wie auch eine nebenberufliche Tätigkeit im Ehrenamt wurden unter den Voraussetzungen der §§ 3 Nr. 26 bis Nr. 26 a EStG bis zur Höhe eines Freibetrages steuerfrei gestellt.

Mit JStG 2020 wurde der sog. „Übungsleiterfreibetrag“ des § 3 Nr. 26 EStG von vormals EUR 2.400 auf EUR 3.000 im Jahr erhöht. Auch die sog. „Ehrenamtspauschale“ des § 3 Nr. 26 a EStG wurde von vormals EUR 720 auf EUR 840 pro Jahr angehoben.

Die Erhöhung der Freibeträge gilt ab dem 01.01.2021.

Änderungen des Investitionsabzugsbetrages nach § 7g EStG

Die Inanspruchnahme eines Investitionsabzugsbetrages nach § 7g EStG ermöglicht steuerlich die Vorverlagerung von Abschreibungsvolumen, so dass durch einen hieraus resultierenden Steuerstundungseffekt künftige Investitionen gefördert werden sollen.
Mit dem JStG 2020 wurden die Regelungen zum Investitionsabzugsbetrag modifiziert, um künftige Investitionsvorhaben steuerlich noch flexibler zu gestalten. Folgende Änderungen hinsichtlich des § 7g EStG wurden im Rahmen des JStG 2020 umgesetzt:

  • Erhöhung der Investitionsabzugsbeträge von bisher 40 Prozent auf 50 Prozent der voraussichtlichen Anschaffungs- und Herstellungskosten.
  • Harmonisierung der bisher geltenden Größenkriterien zur Bestimmung begünstigter Betriebe durch Schaffung einer einheitlichen Gewinngrenze in Höhe von EUR 200.000 für alle Einkunftsarten (zunächst waren EUR 150.000 geplant).
  • Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrages und der Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 5 EStG künftig auch für vermietete begünstigte Wirtschaftsgüter.

Begünstigt bleiben weiterhin nur Wirtschaftsgüter, die im Jahr der Investition und im Folgejahr ausschließlich oder fast ausschließlich (d.h. zu mindestens 90%) betrieblich genutzt werden. Die im Referentenentwurf noch enthaltene Herabsetzung der betrieblichen Nutzung von 90% auf 50% wurde nicht umgesetzt.

Die Neuregelung des § 7g EStG ist erstmals für Investitionsabzugsbeträge und Sonderabschreibungen anzuwenden, die in nach dem 31.12.2019 endenden Wirtschaftsjahren in Anspruch genommen werden.

Anhebung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende nach § 24b EStG

Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende wurde bereits für die Kalenderjahre 2020 und 2021 im Wege des Zweiten Corona-Steuerhilfegesetzes von EUR 1.908 auf EUR 4.008 angehoben. Im Rahmen des JStG 2020 wurde die auf 2020 und 2021 begrenzte Regelung entfristet. Die Anhebung des Entlastungsbetrages gilt damit ab dem Kalenderjahr 2020 dauerhaft.

Verhinderung der Übermaßbesteuerung bei beschränkt Steuerpflichtigen nach § 50 Abs. 1 S. 3 EStG

Bei Steuerpflichtigen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland haben, jedoch steuerpflichtige inländische Einkünfte erzielen (sog. beschränkt Steuerpflichtige), wird der Grundfreibetrag dem inländischen zu versteuernden Einkommen hinzugerechnet. Dies folgt dem Rechtsgedanken, dass die Steuerfreistellung des steuerlichen Existenzminimums grundsätzlich Sache des ausländischen Wohnsitzstaates ist. Durch die Hinzurechnung des Grundfreibetrages findet keine Besteuerung eines fiktiven Einkommens statt, sondern das Steuerniveau für die inländischen Einkünfte wird lediglich angehoben auf einen Steuertarif, der sich oberhalb des Grundfreibetrages ergibt. Erzielt ein beschränkt Steuerpflichtiger neben den inländischen Einkünften zudem Einkünfte, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen, führte dies zu einer Übermaßbesteuerung. Folgt man dem Gesetzeswortlaut des § 50 Abs. 1 S. 2 EStG konnte dies im Extremfall zu einer rechnerischen Einkommensteuer führen, die die Höhe der inländischen Einkünfte gar überstieg. Dieses Missverhältnis wurde bisher durch Billigkeitsregelungen seitens der Finanzverwaltung gelöst.

Nun wurde im Rahmen des JStG 2020 ein neuer § 50 Abs. 1 S. 3 EStG eingeführt. Nach der Neuregelung wird im Falle eines Zusammentreffens der Hinzurechnung des Grundfreibetrages mit zusätzlichen Einkünften, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen, nur der Steuersatz des tatsächlich zu versteuernden inländischen Einkommens beeinflusst.

Die Neuregelung findet in allen offenen Fällen bereits Anwendung.

Sonderausgabenabzug bei beschränkt Steuerpflichtigen nach § 50 Abs. 1a EStG

Im Rahmen des JStG 2020 wurde als Reaktion auf das EuGH-Urteil in der Rechtssache C-480/17 § 50 EStG dahingehend ergänzt, dass Beiträge an berufsständische Versorgungseinrichtungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a EStG nun auch bei beschränkt Steuerpflichtigen als Sonderausgaben berücksichtigt werden können, soweit die übrigen Voraussetzungen des § 50 Abs. 1a EStG erfüllt werden.

Die Neuregelung gilt für Beiträge, die nach dem 31.12.2020 geleistet werden.

Angleichung der Verzinsungsregelungen beim vorläufigen Verlustrücktrag nach § 111 EStG

Im Zuge des Zweiten Corona-Steuerhilfegesetzes wurde mit der Einführung des § 111 EStG die Möglichkeit eines pauschalen Verlustrücktrags geschaffen. Nach § 111 Abs. 1 Satz 1 EStG können Steuerpflichtige auf Antrag pauschal bei der Steuerfestsetzung für den Veranlagungszeitraum 2019 einen Betrag in Höhe von 30 % des Gesamtbetrags der Einkünfte des Veranlagungszeitraums 2019 als Verlustrücktrag aus 2020 abziehen. Alternativ kann der Steuerpflichtige jedoch auch einen höheren pauschalen Verlustrücktrag beantragen, wenn durch geeignete Unterlagen nachgewiesen werden kann, dass der Steuerpflichtige aus 2020 einen höheren Verlustrücktrag erwartet als 30 % des Gesamtbetrages der Einkünfte aus 2019.

Im Rahmen der Steuerveranlagung des Jahres 2020 wird der pauschale Verlustrücktrag überprüft. Sollte der pauschal vorgenommene Verlustrücktrag den tatsächlichen Verlust des Jahres 2020 übersteigen, ist das Jahr 2019 entsprechend zu korrigieren, so dass die zunächst zu niedrig festgesetzte Steuer nachzuzahlen ist. In einem solchen Fall entstehen aufgrund der Regelung des § 111 Abs. 6 S. 3 EStG keine Nachzahlungszinsen.

Nach bisheriger Rechtslage konnte es in Einzelfällen bei der Steuerfestsetzung 2019 durch die Berücksichtigung des pauschalen Verlustrücktrags nach § 111 EStG zu einer Festsetzung von zum Teil hohen Erstattungszinsen kommen. Diese Erstattungszinsen würden sich jedoch aufgrund der Regelung des § 111 Abs. 6 S. 3 EStG nicht mit Nachzahlungszinsen bei nachträglicher Korrektur des pauschalen Verlustrücktrags ausgleichen.

Zur Vorbeugung missbräuchlicher Gestaltungen im Hinblick auf die Erstattungszinsen wurde nun mit Einführung des § 111 Abs. 1 S. 4 EStG die Verzinsungsregelung sowohl für den ursprünglichen Abzug des pauschalen Verlustrücktrags nach § 111 Abs. 1 EStG sowie auch für dessen spätere Hinzurechnung nach § 111 Abs. 6 EStG vereinheitlicht.

Die Regelung tritt ab dem 01.01.2021 in Kraft.

Ausweitung der Verjährungsfrist bei besonders schwerer Steuerhinterziehung nach § 376 Abs. 1 AO:

Mit JStG 2020 wurde für Fälle besonders schwerer Steuerhinterziehung die Verjährungsfrist nach § 376 Abs. 1 AO von 10 Jahren auf 15 Jahren erhöht. Ein Fall von besonders schwerer Steuerhinterziehung liegt laut der Rechtsprechung des BGH bereits bei einer Steuerverkürzung von mehr als EUR 50.000 vor.
Die Ausweitung der Verjährungsfrist ist auf alle zum Zeitpunkt des Inkrafttretens noch nicht verjährten Taten anzuwenden.

4. Änderungen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer

Berücksichtigung von Steuererstattungsansprüchen und Steuerschulden des Erblassers (§ 10 Abs. 1 Satz 3 ErbStG)

Die gesetzliche Neuregelung sieht vor, dass künftig sowohl die das Todesjahr des Erblassers betreffenden Steuererstattungsansprüche anzusetzen als auch die Steuerschulden abzuziehen sind. Hierdurch wird die Ungleichbehandlung zwischen Steuererstattungsansprüchen und Steuerschulden, die das Todesjahr des Erblassers betreffen, beseitigt.

Bisher waren nach der Rechtsprechung des BFH Einkommensteuererstattungsansprüche, die das Todesjahr des Erblassers betreffen, nicht in den steuerpflichtigen Erwerb nach § 10 Abs. 1 ErbStG einzubeziehen, weil sie erst mit Ablauf des Todesjahres entstehen (BFH vom 16.01.2008 – II R 30/06). Dagegen waren die den Erblasser betreffenden Steuerschulden für das Todesjahr als Nachlassverbindlichkeiten abziehbar (BFH vom 04.07.2012 – II R 15/11).

Einschränkung des Abzugs von Schulden und Lasten (§ 10 Abs. 6 ErbStG)

Schulden und Lasten sind grundsätzlich nicht abzugsfähig, soweit sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit einzelnen Vermögensgegenständen stehen, die ganz oder teilweise von der Erbschaft- und Schenkungssteuer befreit sind.

Zur Vermeidung eines ungerechtfertigten steuerlichen Vorteils durch den unbegrenzten Abzug von Schulden und Lasten, die nicht in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit einzelnen Vermögensgegenständen stehen, soll nun künftig auch der Abzug dieser Schulden und Lasten wie folgt gekürzt werden: Schulden und Lasten, die nicht in wirtschaftlichem Zusammenhang mit einzelnen Vermögensgegenständen des Erwerbs stehen, sind demnach anteilig allen Vermögensgegenständen des Erwerbs zuzurechnen. Der jeweilige Anteil bemisst sich nach dem Verhältnis des Werts des Vermögensgegenstands (nach Abzug der mit diesem Vermögensgegenstand in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Schulden und Lasten) zum Gesamtwert der Vermögensgegenstände (nach Abzug aller mit diesen Vermögensgegenständen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Schulden und Lasten).

Ausgleichsforderung bei Zugewinngemeinschaft (§ 5 Abs. 1 ErbStG)

§ 5 Abs. 1 ErbStG gewährt im Falle des Todes eines Ehegatten oder Lebenspartners dem überlebenden Ehegatten oder Lebenspartner eine Steuerbefreiung in Höhe der Ausgleichsforderung, die er als Zugewinnausgleich nach § 1371 Abs. 2 BGB hätte geltend machen können, wenn er nicht Erbe geworden wäre und ihm auch kein Vermächtnis zustünde.

Die bisher geltende Vorschrift bewirkt eine ungerechtfertigte Doppelbegünstigung des überlebenden Ehegatten oder Lebenspartners. Diese entsteht dadurch, dass der Zugewinn und die daraus errechnete Ausgleichsforderung nach den bürgerlich-rechtlich maßgebenden Verkehrswerten des Anfangs- und Endvermögens ermittelt wird ohne Rücksicht darauf, ob für das maßgebende Endvermögen, zu dem auch das im Nachlass vorhandene Vermögen gehört, Steuerbefreiungen gewährt werden. Um diese Doppelbegünstigung auszuschließen, wird die abzugsfähige fiktive Ausgleichsforderung zukünftig gemindert. Für die Minderung wird das Verhältnis zwischen dem um die Steuerbefreiungen geminderten Werts des Endvermögens zum Wert des Endvermögens zugrunde gelegt.

Berücksichtigung früherer Erwerbe (§ 14 Abs. 2 ErbStG)

Grundsätzlich regelt § 14 ErbStG, dass mehrere innerhalb von 10 Jahren von derselben Person anfallende Erwerbe bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer zusammengerechnet werden (§ 14 ErbStG).

Für den Fall, dass die Steuerfestsetzung für einen Vorerwerb auf Grund eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO) geändert wird, wird nun eine Änderungsmöglichkeit zur Korrektur der Steuerfestsetzung für den nachfolgenden Erwerb aufgenommen. Demnach kann nun auch der erstmalige Erlass, die Änderung und die Aufhebung einer Steuerfestsetzung für einen Vorerwerb als rückwirkendes Ereignis für die Steuerfestsetzung des nachfolgenden Erwerbs gelten. Hierdurch ist dann auch die Steuerfestsetzung für den Nacherwerb entsprechend änderbar.

Die Änderungen im Bereich der Erbschaft- und Schenkungsteuer gelten ab sofort.

5. Neuerungen im Bereich des Gemeinnützigkeitsrechts

Das Jahressteuergesetz 2020 enthält zudem diverse Neuerungen im Bereich des Gemeinnützigkeitsrechts, von denen wir die wichtigsten hier vorstellen.

Die folgenden Änderungen sind bereits am 29. Dezember 2020 in Kraft getreten:

Zeitnahe Mittelverwendung

Für kleine steuerbegünstigte Körperschaften mit jährlichen Einnahmen von nicht mehr als TEUR 45 wurde die Verpflichtung zur zeitnahen Mittelverwendung (zwei Jahre nach Zufluss) abgeschafft (§ 55 Abs. 1 Nr. 5 Satz 4 AO).

Zusammenwirken mehrerer Körperschaften

Eine Körperschaft verfolgt ihre steuerbegünstigten Zwecke nunmehr auch dann unmittelbar, wenn sie satzungsgemäß durch planmäßiges Zusammenwirken mit mindestens einer weiteren gemeinnützigen Körperschaft einen steuerbegünstigten Zweck verwirklicht (§ 57 Abs. 3 AO). Damit können Körperschaften jetzt auch arbeitsteilig vorgehen, ohne ihre Steuerbegünstigung zu gefährden.

Zudem liegt nunmehr auch dann eine unmittelbare Verfolgung des steuerbegünstigten Zwecks einer Körperschaft vor, wenn diese ausschließlich Anteile an steuerbegünstigten Kapitalgesellschaften hält und verwaltet (§ 57 Abs. 4 AO).

Weitergabe von Mitteln

Der neue § 58 Nr. 1 AO beinhaltet nunmehr sowohl die Mittelbeschaffung als auch die Weitergabe von Mitteln an andere Körperschaften (bisher § 58 Nr. 2 AO, aufgehoben). Als Mittelempfänger kommen lt. Gesetzesbegründung auch ausländische Körperschaften in Betracht; bei diesen ist jedoch die spätere Verwendung der Mittel für steuerbegünstigte Zwecke ausreichend nachzuweisen. Beabsichtigt die Körperschaft als einzige Art der Zweckverwirklichung, Mittel anderen Körperschaften oder juristischen Personen des öffentlichen Rechts zuzuwenden, ist die Mittelweitergabe als Art der Zweckverwirklichung explizit in der Satzung zu benennen.

Mit § 58a AO wird außerdem für Mittelweitergaben eine Vertrauensschutzregelung eingeführt: Hierdurch wird der gute Glauben der zuwenden Körperschaft an die Richtigkeit der überlassenen Freistellungsbescheide, Anlagen zum Körperschaftsteuerbescheid oder Bescheide nach § 60a AO (Bescheid über die Feststellung der satzungsmäßigen Voraussetzungen) geschützt.

Zuwendungsregister

Zudem wird ab dem 1. Januar 2024 ein für jedermann einsehbares Zuwendungsregister beim Bundeszentralamt für Steuern etabliert werden (§ 60b AO): In diesem werden Identifikationsnummer, Name, Anschrift, steuerbegünstigter Zweck, zuständiges Finanzamt, Datum des letzten Freistellungsbescheids bzw. Bescheids nach § 60a AO sowie die Bankverbindung der gemeinnützigen Organisationen gespeichert.

6. Änderungen des Umsatzsteuergesetzes

Auch im Bereich der Umsatzsteuer hat das Jahressteuergesetz 2020 zahlreiche Änderungen mit sich gebracht, die zu drei unterschiedlichen Zeitpunkten in Kraft getreten sind bzw. treten werden:

6.1. Änderungen zum 22. Dezember 2020

a) Preisnachlässe in Unternehmerketten

Nachträgliche Preisnachlässe führen grundsätzlich zur Minderung der Bemessungsgrundlage für die Lieferung und korrespondierend hierzu zur Kürzung des Vorsteuerabzugs beim Leistungsempfänger oder – bei Leistungsketten – beim wirtschaftlich Begünstigten. Erwirbt der wirtschaftlich begünstigte Abnehmer die Ware steuerfrei – insbesondere bei grenzüberschreitenden Lieferungen – wird jedoch mangels anfallender Umsatzsteuer keine Kürzung des Vorsteuerabzugs vorgenommen.

Erfolgt beim wirtschaftlich Begünstigten jedoch keine Kürzung des Vorsteuerabzugs, da diese im Inland nicht steuerpflichtig ist, soll nach § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG auch keine Änderung der Bemessungsgrundlage beim rabattgewährenden Unternehmer vorliegen. Dadurch wird verhindert, dass der rabattgewährende Unternehmer die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer mindert, korrespondierend jedoch keine Vorsteuer gekürzt wird.

 

b) Rechnungsberichtigung kein rückwirkendes Ereignis nach § 175 AO

Durch die Rechtsprechung des EuGH ist inzwischen hinreichend geklärt, dass eine für Zwecke des Vorsteuerabzugs nicht ausreichende Rechnung unter bestimmten Voraussetzungen mit Wirkung für die Vergangenheit berichtigt werden kann. Der Vorsteuerabzug ist dann in dem Zeitpunkt des Erhalts der ursprünglichen Rechnung zulässig.

Durch den neuen § 14 Abs. 4 Satz 4 UStG wird nunmehr klargestellt, dass eine Rechnungsberichtigung kein rückwirkendes Ereignis im Sinne des 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und § 233 Abs. 2a AO darstellt. Folglich können Veranlagungszeiträume, für die bereits Festsetzungsverjährung eingetreten ist, nicht nach § 175 Abs. 1 AO aufgrund einer rückwirkenden Rechnungsberichtigung als rückwirkendes Ereignis geändert werden. Unter Umständen kann es hierzu zum vollständigen Verlust des Vorsteuerabzugs kommen.

Für weitere Einzelheiten zum Thema „Vorsteuerabzug und Rechnungsberichtigung“ und dem entsprechenden BMF-Schreiben vom 18. September 2020 verweisen wir auf unsere Mandanten-Information:

https://www.gkkpartners.de/mandanteninformationen/vorsteuerabzug-und-rechnungsberichtigungen-in-der-umsatzsteuer.html

6.2. Änderungen zum 1. Januar 2021

Reverse-Charge-Verfahren bei Telekommunikationsdienstleistungen

Für umsatzsteuerpflichtige Telekommunikationsdienstleistungen ist bislang der leistende Unternehmer Steuerschuldner. Da Telekommunikationsdienstleistungen in der Vergangenheit vermehrt für Umsatzsteuer-Karussellbetrug genutzt wurden und zu signifikanten Steuerausfällen geführt haben, wurde zur Missbrauchsverhinderung bei Wiederverkäufern von Telekommunikationsleistungen das Reverse-Charge-Verfahren eingeführt (§ 13b Abs. 2 Nr. 12 UStG). Steuerschuldner ist somit nicht mehr der leistende Unternehmer, sondern der Leistungsempfänger. Damit wird vermieden, dass der leistende Unternehmer zwar Umsatzsteuer auf seiner Rechnung ausweist und damit dem Leistungsempfänger den Vorsteuerabzug ermöglicht, er selbst jedoch die Entrichtung der Umsatzsteuer an das Finanzamt unterlassen und damit einen Umsatzsteuerausfall bewirken kann.

6.3. Änderungen zum 1. Juli 2021

Zum 1. Juli 2021 wird die zweite Stufe des sog. Mehrwertsteuer-Digitalpakets umgesetzt. Dieses beinhaltet insbesondere die folgenden Regelungen:

a) Lieferungen mittels elektronischer Schnittstelle

Bei Verkäufen von Waren durch Online-Händler an Privatpersonen über eine elektronische Schnittstelle wird durch die Neuregelung des § 3 Abs. 3a UStG ein Reihengeschäft zwischen dem Onlinehändler, der elektronischen Schnittstelle und dem Endkunden fingiert. Dies gilt sowohl, wenn der Online-Händler in einem Mitgliedstaat der EU ansässig ist als auch bei im Drittland ansässigen Online-Händlern. Für einen Warenversand aus dem Gemeinschaftsgebiet gilt dies ohne weitere Einschränkungen, bei einem Warenversand aus dem Drittlandgebiet gilt diese Fiktion jedoch nur dann, wenn der Sachwert der Ware den Betrag von EUR 150 nicht überschreitet.

Korrespondierend hierzu sieht § 3 Abs. 6b vor, dass die Lieferung des Online-Händlers an die Schnittstelle stets als unbewegte Lieferung behandelt wird, für die die neue Steuerbefreiung des § 4 Nr. 4c UStG Anwendung findet. Die Lieferung des Betreibers der elektronischen Schnittstelle an den Endkunden stellt dann eine bewegte Lieferung dar, die im Mitgliedstaat des Endkunden der Besteuerung unterliegt.

 

 

b) Innergemeinschaftliche Fernverkäufe

Die bisherige Versandhandelsregelung des § 3c UStG wird im Grundsatz beibehalten, d.h. bei Lieferungen an Privatpersonen in einen anderen EU-Mitgliedstaat wird bei Überschreitung der Lieferschwelle die Steuerbarkeit im Land, in dem der Warentransport endet, begründet. Neu ist jedoch, dass anstelle diverser unterschiedlicher Lieferschwellen je Mitgliedstaat eine Gesamtlieferschwelle i.H.v. EUR 10.000 gilt. Diese gilt insgesamt für sämtliche innergemeinschaftlichen Fernverkäufe sowie Lieferungen mittels einer elektronischen Schnittstelle.

Ebenso wie bisher kann auf die Anwendung der Lieferschwelle verzichtet werden und von Anfang an die Steuerbarkeit in dem Lande des Transportendes „gewählt“ werden.

Wie auch bei der bisherigen Versandhandelsregelung gilt die Regelung nicht für neue Fahrzeuge, differenzbesteuerte Gegenstände sowie verbrauchsteuerpflichtige Waren.

c) Erweiterung des MOSS (Mini-One-Stop-Shop) zum OSS (One-Stop-Shop)

Bisher konnten lediglich auf elektronischem Weg erbrachte Dienstleistungen, Telekommunikations-, Rundfunk- und Fernsehleistungen (elektronische Dienstleistungen) an Nichtunternehmer über das MOSS-Verfahren gemeldet werden. Diese Leistungen sind im Ansässigkeitsstaat des Kunden zu besteuern mit der Folge, dass grundsätzlich eine Registrierung in dem jeweiligen Mitgliedstaat notwendig wäre. Durch das MOSS-Verfahren konnten diese in unterschiedlichen Mitgliedstaaten zu besteuernden Umsätze zentral an das BZSt (Bundeszentralamt für Steuern) gemeldet und dadurch Registrierungen im Ausland vermieden werden. Nun wird der Anwendungsbereich des MOSS-Verfahrens deutlich erweitert.

Künftig können in der EU ansässige Unternehmer – neben den elektronischen Dienstleistungen – die folgenden Leistungen über das neue OSS-Verfahren melden (§ 18j UStG):

  • (Fiktive) Lieferungen der Schnittstellenbetreiber an die Endverbraucher
  • Innergemeinschaftliche Fernverkäufe
  • Sonstige Leistungen an Nichtunternehmer, sofern der Leistungsort vom Sitzstaat des leistenden Unternehmers abweicht

Die Teilnahme an dem OSS-Verfahren stellt ein Wahlrecht dar. Dem Steuerpflichtigen steht es frei, weiterhin bestehende umsatzsteuerliche Registrierungen in den einzelnen Mitgliedstaaten beizubehalten und seine umsatzsteuerlichen Pflichten in jedem Staat separat zu erfüllen. Wählt der Steuerpflichtige jedoch das OSS-Verfahren, kann er dies nur einheitlich für alle Mitgliedstaaten und alle Umsätze, die unter das OSS-Verfahren fallen, tun. Dies gilt jedoch bei sonstigen Leistungen nur eingeschränkt: Sofern ein Unternehmer in dem Mitgliedstaat der Besteuerung einen Sitz oder eine Betriebsstätte hat, scheidet insoweit die Anwendung des OSS-Verfahrens aus.

Beispiel:
Ein in Deutschland ansässiger Unternehmer erbringt digitale Leistungen an Privatpersonen innerhalb der EU. Der Unternehmer hat in Italien eine Betriebsstätte.

Die Teilnahme am OSS-Verfahren ist für sämtliche Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Deutschland und Italien möglich; in diesen Ländern muss zwingend das allgemeine Besteuerungsverfahren durchgeführt werden.

Auch ein im Drittland ansässiger Unternehmer kann das OSS-Verfahren anwenden und den Mitgliedstaat, in dem er sich für das OSS-Verfahren anmeldet, frei wählen. Allerdings ist bei im Drittland ansässigen Unternehmern die Anwendung des OSS-Verfahrens auf die Meldung von sonstigen Leistungen beschränkt (§ 18i UStG).

d) Einführung eines IOSS (Import-One-Stop-Shop)

Auch für Zwecke der Einfuhren aus Drittstaaten wird durch § 18k UStG ein neues (vereinfachtes) Verfahren für Waren mit einem Sachwert bis zu EUR 150 eingeführt.

Unabhängig vom Ansässigkeitsstaat des Unternehmers können sowohl Schnittstellenbetreiber, deren fingierte Lieferungen an den Endverbraucher aus dem Drittland in das Gebiet der EU eingeführt wurden, als auch Unternehmer, die unmittelbar Waren aus dem Drittland in die EU einführen, an dem besonderen Besteuerungsverfahren IOSS teilnehmen. Mittels des IOSS-Verfahrens wird die Besteuerung mit der Umsatzsteuer im Mitgliedstaat des Verbrauchs (=Transportende) durchgeführt. Im Gegenzug wird die vorhergehende Einfuhr von der Einfuhrumsatzsteuer nach § 5 Abs. 1 Nr. 7 UStG durch die Teilnahme an dem IOSS-Verfahren befreit.

 

 

e) Besonderes Verfahren für die Einfuhrumsatzsteuer

Mit § 21a UStG wird für Zwecke der Einfuhrumsatzsteuer ein besonderes Verfahren für Waren mit einem Wert von bis zu EUR 150 eingeführt. Damit soll die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer vereinfacht werden in den Fällen, in denen

• das besondere Besteuerungsverfahren nach § 18k UStG nicht genutzt wird,
• eine Einfuhr nicht im Normalverfahren erfolgt und
• die Gegenstände im Mitgliedsstaat des Verbrauchs eingeführt werden.

Die bisherige Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer für Einfuhren mit einem Wert von bis zu EUR 22 wurde gestrichen, da diese vermehrt zu Steuerbetrug geführt hat. Nunmehr wird die Einfuhrumsatzsteuer bei jeder Einfuhr erhoben. Das neue Verfahren sieht jedoch vor, dass die sog. gestellende Person (beispielsweise Paketdienstleister und Kurierdienste), die Einfuhranmeldung unter bestimmten Voraussetzungen im Namen und für Rechnung des Empfängers der Waren abgeben kann, bei dem die Einfuhrumsatzsteuer eingefordert wird. Die gestellende Person ist verpflichtet, für den Empfänger der Sendung diese zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr anzumelden und die Einfuhrumsatzsteuer einzufordern. Diese ist sodann (zusammengefasst mit anderen Einfuhren) an die zuständigen Zollbehörden zu entrichten.

 

Diese Regelung hat für die Paketdienstleister und Kurierdienste den Vorteil, dass der Transport unterbrechungsfrei an den Kunden erfolgen kann. Nachteil dieser Regelung ist jedoch, dass dies zusätzlichen Aufwand bei den Paketdienstleistern und Kurierdiensten erfordert und diese für die entsprechende Einfuhrumsatzsteuer haften. Ob die Vereinfachung in der Praxis zur Anwendung gelangen wird, bleibt daher fraglich.

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