Jahressteuergesetz 2022 - Handlungsbedarf bei Immobilienübertragungen?
Die Bundesregierung hat am 14. September 2022 den Entwurf für ein Jahressteuergesetz 2022 vorgelegt, um umfangreiche Steuergesetzänderungen auf den Weg zu bringen. Laut Gesetzesbegründung bedurfte es in verschiedenen Bereichen des deutschen Steuerrechts fachlich notwendige Gesetzesänderungen.
Etwas überraschend sind bedeutsame Änderungen bei der Bewertung von Immobilien für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer geplant, die vielfach zu deutlich höheren Immobilienwerten führen. Diese Werte sollen für Übertragungen nach dem 31. Dezember 2022 anwendbar sein, sodass ggf. noch Handlungsbedarf bis Jahresende besteht.
Änderungen bei der Immobilienbewertung
Der Regierungsentwurf des JStG 2022 sieht relativ umfangreiche Änderungen bei der Bewertung von Immobilien für Bewertungsstichtage ab dem 31. Dezember 2022 vor, die sowohl die Berechnungsgrößen als auch Bewertungssystematiken anpassen. Die neuen Werte sind insbesondere für die Bemessungsgrundlage im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie für die sog. Ersatzbemessungsgrundlage im Rahmen der Grunderwerbsteuer (z.B. bei Share Deals) relevant. Insbesondere sollen die Ertrags- und Sachwertverfahren zur Bewertung bebauter Grundstücke sowie die Verfahren zur Bewertung in Erbbaurechtsfällen und Fällen mit Gebäuden auf fremdem Grund und Boden an die geänderte Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) vom 14. Juli 2021 angepasst werden (konkret §§ 177-198 BewG). Ziel der Änderungen ist es, sicherzustellen, dass die von den Gutachterausschüssen für Grundstückswerte auf der Grundlage der ImmoWertV ermittelten, für die Wertermittlung erforderlichen Daten weiterhin bei der Grundbesitzbewertung für Zwecke der Erbschaft-, Schenkung- und Grunderwerbsteuer sachgerecht Berücksichtigung finden. Es sind unter anderem folgende Änderungen vorgesehen:
- Erhöhung der Gesamtnutzungsdauer für die Gebäudearten „Ein- und Zweifamilienhäuser“, „Mietwohngrundstücke“, „Wohnungseigentum“ sowie „Gemischt genutzte Grundstücke (Wohnhäuser mit Mischnutzung)“ entsprechend der ImmoWertV von 70 auf 80 Jahre
- Anpassung der Höhe der im Gesetz vorgesehen Liegenschaftszinssätze (sofern kein Liegenschaftszins des Gutachterausschusses vorliegt), welche die Höhe des Vervielfältigers beeinflussen
- Erhöhung der Wertzahlen in § 191 BewG, welche den Gebäudesachwert erhöhen
- Anpassungen an die Rechtsprechung des BFHs (z.B. hinsichtlich des Wohnungsbegriffs in § 181 Abs. 9 AO) sowie an die bisherige Auffassung der Finanzverwaltung (z.B. bei der Ermittlung der Restnutzungsdauer)
Die geänderten Bewertungsverfahren führen vielfach dazu, dass Immobilien für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke im Vergleich zur bisherigen Regelung mit deutlich höheren Werten zu berücksichtigen sind, sodass sich eine deutlich höhere Schenkungsteuerbelastung ergeben kann. Dies ist zumindest dann der Fall, wenn die geänderten gesetzlichen Werte (Liegenschaftszins, Wertzahlen etc.) zum Tragen kommen. In Gemeinden und Städten, in denen der Gutachterausschuss bereits bislang entsprechende Daten zur Verfügung stellt oder in Fällen, in denen das Vergleichswertverfahren zur Anwendung kommt (z.B. bei Ein- bzw. Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen in München) sollten sich u.E. keine nennenswerten Änderungen ergeben.
Die Möglichkeit, dass ein niedrigerer gemeiner Wert nach § 198 BewG per Gutachten nachgewiesen werden kann, bleibt aber auch weiterhin bestehen.
Sollten bereits unentgeltliche Übertragungen angedacht und konkret geplant sein, kann es daher von Vorteil sein, diese noch in diesem Jahr vorzunehmen. Es ist aber eine Frage des Einzelfalls, ob die geplanten Änderungen tatsächlich zu einer relevanten Erhöhung des schenkungsteuerlichen Wertes führen und die Übertragung in diesem Jahr tatsächlich noch Vorteile bietet.
Weitere Änderungen des JStG 2022
- Abschreibungen von Immobilien
Bisher kann die Gebäude-AfA in begründeten Ausnahmefällen abweichend von dem typisierten AfA-Satz nach einer tatsächlich kürzeren Nutzungsdauer bemessen werden. Der Gesetzesentwurf sieht nun vor, diese Abschreibungsvariante zu entfernen (der Bundesrat sieht das kritisch) und im Gegenzug dafür den typisierten linearen Abschreibungssatz für Gebäude, die nach dem 30. Juni 2023 fertiggestellt werden und Wohnzwecken dienen, von 2% auf 3% anzuheben. Die Regelung soll für Veranlagungszeiträume ab 2023 gelten. Als Übergangsregelung soll eine AfA nach kürzerer Nutzungsdauer weiterhin möglich sein, sofern diese zulässigerweise bereits für 2022 oder das vor 1. Januar 2023 endende Wirtschaftsjahr vorgenommen wurde.
- Ertrag- und umsatzsteuerliche Änderungen bei der Besteuerung von Photovoltaikanlagen ab 1. Januar 2023
Um Photovoltaikanlagen zu subventionieren und Bürokratie zu verringern, sehen die geplanten Änderungen im Rahmen des JStG 2022 künftig eine signifikante Vereinfachung der Besteuerung von Photovoltaikanlagen vor. Demnach soll eine Ertragsteuerbefreiung für Einnahmen aus dem Betrieb von Photovoltaikanlagen bis zu einer Bruttonennleistung laut Marktstammdatenregister von 30 kW auf Einfamilienhäusern und Gewerbeimmobilien bzw. 15 kW je Wohn- und Gewerbeeinheit bei übrigen, überwiegend zu Wohnzwecken genutzten Gebäuden (z.B. Mehrfamilienhäuser, gemischt genutzte Immobilien) eingeführt werden. Die Steuerbefreiung soll dabei je Steuerpflichtigen/Mitunternehmerschaft bis max. 100 kW gelten und unabhängig von der Verwendung des erzeugten Stroms bestehen. Für einen Betrieb, der nur Einnahmen aus steuerbegünstigten Photovoltaikanlagen erzielt, ist keine Gewinnermittlung mehr zu erstellen. Einnahmen aus dem Betrieb von steuerbefreiten Photovoltaikanlagen sollen künftig im Rahmen vermögensverwaltender Personengesellschaften nicht zu einer gewerblichen Infektion der Vermietungseinkünfte führen. In Hinblick auf die Umsatzsteuer ist geplant, für die Lieferungen und Installationen von Photovoltaikanlagen (einschließlich Stromspeicher) künftig einen Nullsteuersatz anzuwenden, wenn die Anlage auf oder in der Nähe von Privatwohnungen, Wohnungen oder anderen dem Gemeinwohl dienenden Gebäuden installiert wird. Bei einer installierten Bruttoleistung der Photovoltaikanlage von nicht mehr als 30 kWp gelten die vorstehende Voraussetzungen als erfüllt und müssen nicht gesondert nachgewiesen werden.
- Homeoffice-Pauschale
Die sog. Homeoffice-Pauschale soll ab dem Veranlagungszeitraum 2023 dauerhaft eingeführt werden und der Maximalbetrag von EUR 600 auf EUR 1.000 angehoben werden. Die Tagespauschale soll wie bisher EUR 5 pro Tag im Homeoffice betragen. Der Abzugsbetrag wird einmal jährlich gewährt; sollte der Steuerpflichtige demnach sein Homeoffice für mehrere Einkunftsarten nutzen, ist der Betrag von EUR 1.000 auf alle Einkunftsarten aufzuteilen. Die Homeoffice-Pauschale wird nicht zusätzlich zur Werbungskostenpauschale gewährt. Nicht von der Homeoffice-Pauschale abgegolten sind Aufwendungen für Arbeitsmittel.
- Häusliches Arbeitszimmer
Bislang können Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer bis zu einer Höhe von EUR 1.250 abgezogen werden, wenn kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Geplant ist nun den bislang bestehenden Höchstbetrag ab dem Veranlagungszeitraum 2023 in einen Pauschbetrag in gleicher Höhe (EUR 1.250) umzuwandeln, ohne dass die Aufwendungen im Einzelnen nachgewiesen werden müssen. Bildet das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit, soll es nach wie vor möglich sein, die Aufwendungen in voller Höhe als Betriebs- oder Werbungskosten abzuziehen – allerdings auch in diesem Fall, nur wenn kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Übt der Steuerpflichtige seine Tätigkeit nur tageweise im häuslichen Arbeitszimmer aus und an den übrigen Arbeitstagen steht ihm ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung, kommt ein Abzug der Aufwendungen nur über die Homeoffice-Pauschale in Betracht.
- Sparer-Pauschbetrag
Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, soll der Sparerpauschbetrag von bislang EUR 801 bzw. EUR 1.602 bei Zusammenveranlagung ab dem Veranlagungszeitraum 2023 auf EUR 1.000 bzw. EUR 2.000 ansteigen.
- Ausbildungsfreibetrag
Der Ausbildungsfreibetrag soll – ebenfalls auf Grundlage einer Vereinbarung im Koalitionsvertrag – von derzeit EUR 924 ab dem Veranlagungszeitraum 2023 auf EUR 1.200 angehoben werden.
- Ehegattenübergreifende Verlustverrechnung
Mangels Rechtsgrundlage verneinte der BFH in seinem Urteil vom 23. November 2021 (VIII R 22/18) die Verrechnung der Verluste aus Kapitalvermögen des einen Ehegatten mit den Gewinnen aus Kapitaleinkünften des anderen Ehegatten. Rückwirkend ab 2022 möchte der Gesetzgeber nun die entsprechende Verrechnung ermöglichen.
- Vollständiger Abzug der Beiträge zu den gesetzlichen Rentenversicherungen
Bereits ab dem Jahr 2023 – statt erst wie bislang vorgesehen ab dem Jahr 2025 – sollen Beiträge zu den gesetzlichen Rentenversicherungen laut dem derzeitigen Gesetzesentwurf vollständig als Sonderausgaben abzugsfähig sein. Auch diese Änderungen seien vor dem Hintergrund aktueller BFH-Urteile erforderlich geworden.
- Steuerfreistellung des Grundrentenzuschlags
Durch das JStG 2022 soll der Betrag der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, der aufgrund des Grundrentenzuschlags geleistet wird, steuerfrei gestellt werden. Dadurch soll sichergestellt werden, dass der Grundrentenzuschlag den berechtigten Personen in voller Höhe zur Verfügung stehen und so ungeschmälert zur Sicherung des Lebensunterhalts beitragen kann.
- Besteuerung beschränkt Steuerpflichtiger, die inländische Einkünfte aus der Überlassung von Rechten erzielen
Der Gesetzesentwurf sieht vor, die Besteuerung sog. Registerfälle weitestgehend abzuschaffen. Bei Registerfällen handelt es sich um beschränkt Steuerpflichtige, die nur aufgrund der Vermietung und Verpachtung oder der Veräußerung eines in ein inländisches öffentliches Buch oder Register eingetragenen Rechts (sog. Registerfälle) der Besteuerung in Deutschland unterliegen. Demnach soll eine Besteuerung nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f und Nr. 6 EStG nur noch in Einzelfällen in Zusammenhang mit Drittländern erfolgen.
- Direkter Zahlungsweg für öffentliche Leistungen
Mit dem Ziel eine betrugssichere und bürokratiearme Möglichkeit zur Auszahlung öffentlicher Leistungen auf den Weg zu bringen, soll eine Rechtsgrundlage geschaffen werden, die die steuerliche Identifikationsnummer mit einer gespeicherten IBAN verknüpft.
Stand des Gesetzgebungsverfahrens
Der Bundesrat hat am 28. Oktober 2022 Stellung genommen, die Gegenäußerung der Bundesregierung erfolgte am 2. November 2022. Nach derzeitigen Stand sollen die Beratungen des Finanzausschusses am 30. November 2022 abgeschlossen sein und die 2./3. Lesung im Bundestag am 2. Dezember 2022 erfolgen. Der Bundesrat könnte dann am 16. Dezember 2022 dem Gesetz zustimmen. Wir halten Sie hierzu selbstverständlich auf dem Laufenden.