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Keine Anrechnung nicht bezogenen ausländischen Kindergelds

Besteht Anspruch auf Kindergeld zugleich in mehreren EU-Staaten, so wird anhand der geltenden EU- Verordnungen bestimmt, welcher der Staaten für diese Familienleistung vorrangig aufzukommen hat. Der Zuständigkeitskonflikt wird beispielsweise anhand des Ortes der Erwerbstätigkeit der Eltern oder auch anhand des Wohnsitzes des Kindes gelöst. Der vorrangig zuständige Staat hat das Kindergeld im vollen Umfang gemäß dem jeweiligen nationalen Recht auszubezahlen. Der nachrangig zuständige Staat rechnet das im Ausland den Berechtigten zustehende Kindergeld auf die inländischen Leistungen fiktiv an und ist nur dann zur Zahlung verpflichtet, wenn die im Ausland gezahlten Familienleistungen geringer ausfallen. Die Zahlungsverpflichtung besteht dabei nur in Höhe des sog. Differenzkindergeldes (= Differenzbetrags zwischen den in- und ausländischen Familienleistungen).

In Deutschland ist bis dato die Anrechnung der ausländischen Leistungen auch dann erfolgt, wenn im Ausland tatsächlich keine Familienleistungen bezogen wurden, denn die deutschen Behörden stellten allein auf das Bestehen eines Anspruchs, nicht jedoch auf die tatsächlichen Zahlungen ab.

Das Finanzgericht Münster hat in seinem Urteil vom 5. August 2016 (Aktenzeichen
4 K 3115/14) entschieden, dass die deutschen Familienkassen keine Anrechnung einer nur fiktiven, nicht tatsächlich gezahlten Familienförderung eines anderen Staates vornehmen dürfen, falls der Antrag auf Kindergeld nachweislich nur in Deutschland, nicht jedoch (auch) im Ausland gestellt wurde. Vielmehr haben die deutschen Familienkassen den Antrag an den vorrangig zuständigen Staat weiterzuleiten, damit dieser den dortigen Anspruch prüfen kann. So lange dieser Ablauf nicht eingehalten wird, besteht in Deutschland der ungekürzte Kindergeldanspruch.

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