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Neuerungen bei der Quellensteuerentlastung: Abzugssteuerentlastungsmodernisierungsgesetz verabschiedet

Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 28. Mai 2021 dem Entwurf des Gesetzes zur Modernisierung der Entlastung von Abzugssteuern und der Bescheinigung der Kapitalertragsteuer (Abzugssteuerentlastungsmodernisierungsgesetz – AbzStEntModG) mit den Änderungen des Finanzausschusses zugestimmt. Inhalt des Gesetzes ist in erster Linie eine Vereinfachung des Verfahrens zur Entlastung beschränkt Steuerpflichtiger von deutscher Kapitalertragsteuer und vom Steuerabzug nach § 50a EStG. Das Gesetz wurde am 8. Juni 2021 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht (BStBl. 2021, Teil I Nr. 28, S. 1259).

Hintergrund und Problematik

Ziel der internationalen Besteuerung ist es, sowohl eine Doppelbesteuerung als auch eine Nichtbesteuerung von Einkünften zu vermeiden. Hierbei stehen den Staaten abkommensrechtlich verschiedene Maßnahmen zur Verfügung, die sowohl der Quellenstaat als auch der Ansässigkeitsstaat nutzen kann. Um insbesondere eine Nichtbesteuerung zu vermeiden, erhebt der Quellenstaat bei Zinsen, Dividenden und Lizenzgebühren oftmals Quellensteuer. Dieser Quellensteuerabzug ist der Höhe nach aber meist begrenzt oder kann bspw. im Falle von EU-Konzernkapitalgesellschaften gem. §§ 43b, 50g EStG sogar auf null gesetzt werden. Wie dieser Quellensteuerentlastungsanspruch allerdings realisiert werden kann, ist abkommensrechtlich nicht näher definiert.

Ziel des AbzStEntModG ist es, das Abzugssteuerentlastungsverfahren effizienter zu gestalten, die Digitalisierung voranzutreiben und gleichzeitig Betrugsversuche zu unterbinden.

Wesentlicher Inhalt des Gesetzes

Die Regelungen zur Entlastung von deutscher Abzugssteuer werden einheitlich in § 50c EStG normiert. Demnach gibt es – wie bisher – das Freistellungsverfahren sowie das Erstattungsverfahren. Im Rahmen des Freistellungsverfahrens beantragt der beschränkt Steuerpflichtige vor Auszahlung der Vergütungen einen Freistellungsbescheid beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt). Auf Basis dieses Freistellungsbescheids kann der inländische Vergütungsschuldner auf den Steuerabzug verzichten. Das Erstattungsverfahren kommt dagegen dann zum Tragen, wenn im Zeitpunkt der Auszahlung der Vergütung ein Freistellungsbescheid noch nicht vorgelegen hat. In diesem Fall kann der ausländische Vergütungsgläubiger beim BZSt eine nachträgliche Erstattung der Quellensteuer beantragen.

Anstatt des bisherigen Kontrollmeldeverfahrens ist in § 50c Abs. 2 Nr. 2 EStG zukünftig eine Kleinbetragsregelung für Lizenzzahlungen als Teil des Steuerfreistellungsverfahrens enthalten. Demnach kann vom Steuerabzug nach § 50a EStG bei Lizenzzahlungen ins Ausland – auch ohne Freistellungsbescheinigung – abgesehen werden, wenn die jährliche Vergütung maximal EUR 5.000 pro Vergütungsgläubiger beträgt. Eine Anmeldung oder eigenständige Beantragung – wie dies bislang beim Kontrollmeldeverfahren notwendig ist – ist dabei nicht mehr erforderlich.

In § 50a Abs. 5 EStG wird eine generelle Pflicht zu Anmeldung von Abzugssteuern nach § 50a EStG eingeführt. Damit ist eine Steueranmeldung beim BZSt auch dann vorzunehmen, wenn keine Steuer einbehalten werden muss (sog. Null-Meldung).

Diese Regelungen sind erstmals auf Vergütungen anwendbar, die ab dem 1. Januar 2022 bezahlt werden.

Sofern eine ausländische Kapitalgesellschaft eine Entlastung von Abzugssteuern beantragt, erfolgt dies nur dann, wenn die Zwischenschaltung der ausländischen Gesellschaft nicht missbräuchlich ist, d.h. insbesondere dann, wenn die ausländische Gesellschaft über ausreichend Substanz im Ausland verfügt. Die notwendigen Voraussetzungen hierfür sind in § 50d Abs. 3 EStG geregelt. Durch das AbzStEntModG werden diese Regelungen an europarechtliche Vorgaben angepasst. Demnach liegt in einem ersten Schritt ein Anfangsverdacht für eine missbräuchliche Gestaltung vor, wenn (a) die Gesellschafter (der ausländischen Kapitalgesellschaft) selbst keine Begünstigung nach derselben Vorschrift beanspruchen können und (b) die Gesellschaft die betreffenden Einkünfte nicht im Zusammenhang mit einer eigenen Wirtschaftstätigkeit erzielt. Dieser Anfangsverdacht kann aber im Einzelfall widerlegt werden, wenn nachgewiesen werden kann, dass der Hauptzweck der Einschaltung der ausländischen Gesellschaft nicht in der Erlangung eines Steuervorteils besteht. Die bislang in § 50d Abs. 3 EStG enthaltene pauschale und nicht widerlegbare Missbrauchsvermutung gilt damit nicht mehr und dem Steuerpflichtigen steht – entsprechend den Vorgaben der EuGH-Rechtsprechung – ein individueller Entlastungsbeweis zur Verfügung.

Weitere Änderungen

Neben diesen zentralen Änderungen beinhalten das AbzStEntModG u.a. noch folgende steuerlichen Änderungen:

  • Die bisherige Ausstellung von Kapitalertragsteuerbescheinigungen an beschränkt Steuerpflichtige wird durch eine an das BZSt zu erfolgende Datenübermittlung ersetzt. Zudem wurden die vorgeschriebenen Angabepflichten sowie die Haftung des Ausstellers im Falle fehlerhafter Steuerbescheinigungen erweitert (§§ 45a, 45b EStG). Für die Stellen, welche die Kapitalerträge ausbezahlen, ergeben sich aufgrund des neu eingeführten § 45c EStG künftig zusätzliche Meldepflichten.
  • Änderungen einzelner Details der Ausgestaltung der Regelungen zu Verrechnungspreisen - u.a. Implementierung des sog. DEMPE-Konzepts der OECD in Bezug auf immaterielle Werte, die Einführung einer „Best Method Rule“ in Bezug auf die Wahl der adäquaten Verrechnungspreismethode und das Erfordernis der Überprüfung des Verrechnungspreises im Zusammenhang mit immateriellen Werten anhand der tatsächlichen Gewinnentwicklung beim Fehlen einer Preisanpassungsklausel.
  • Einführung eines Verlustverrechnungsverbots für Verluste aus bestimmten missbräuchlichen Gestaltungen im Zusammenhang mit rückwirkenden Umwandlungen (§ 2 Abs. 5 UmwStG).
  • Einführung einer gesetzlichen Regelung für Vorabverständigungsverfahren (Advanced Pricing Agreements - APA). Mit einem neuen § 89a AO soll eine eigenständige nationale Rechtsgrundlage für Vorabverständigungsverfahren geschaffen werden. Ein Vorabverständigungsverfahren kann eingeleitet werden, wenn dem zu würdigenden Sachverhalt ein Doppelbesteuerungsabkommen zugrunde liegt und anwendbar ist. Ziel ist es, die Gefahr einer Doppelbesteuerung bereits vorab zu vermeiden. Die Einleitung des Verfahrens setzt einen Antrag voraus.
  • Verlängerung der Frist zur Auszahlung des steuerfreien Corona-Bonus i.H.v. EUR 1.500 an Mitarbeiter bis zum 31. März 2022 (§ 3 Nr. 11a EStG).

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