Neues BMF-Schreiben zur Besteuerung von Mitarbeiterbeteiligungen
Nicht nur im Startup-Umfeld haben sich Mitarbeiterbeteiligungen inzwischen als das Corporate Benefit unter den Incentives für Mitarbeiter etabliert. Auch im steuerlichen Kontext erfreuen sich Mitarbeiterbeteiligungen immer größerer Beliebtheit. Im Falle einer unentgeltlichen oder verbilligten Ausgabe einer gesellschaftsrechtlichen Mitarbeiter-Beteiligung an dem Arbeitgeber-Unternehmen besteht jedoch regelmäßig die Problematik einer „Dry Income Besteuerung“, da der Mitarbeiter bereits im Zeitpunkt der Anteilsausgabe einen geldwerten Vorteil in Höhe des Preisnachlasses als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit zu versteuern hat, ohne jedoch – mangels eines Zuflusses – über die notwendigen liquiden Mittel zu verfügen. Mit dem Fondstandortgesetz hat der Gesetzgeber mit Wirkung zum 1. Juli 2021 mit der Einführung des § 19a EStG die Möglichkeit geschaffen, auf Antrag eine Besteuerung erst bei späterem tatsächlichem Geldzufluss vorzunehmen. Im Zuge des Zukunftsfinanzierungsgesetzes (ZuFinG) erfolgte mit Wirkung zum 1. Januar 2024 eine Gesetzesanpassung des § 19a EStG (vgl. hierzu unsere Mandanteninformation vom 8. Febuar 2024).
Von Seiten der Finanzverwaltung wurde nun mit einem neuen BMF-Schreiben vom 1. Juni 2024, welches das bisherige BMF-Schreiben vom 16. November 2021 (vgl. hierzu unsere Mandanteninformation vom 24. Februar 2022) ersetzt, entsprechend auf die Gesetzesänderung reagiert.
Neben Detailregelungen zum Freibetrag des § 3 Nr. 39 EStG enthält das neue BMF-Schreiben insbesondere Änderungen bzw. Ergänzungen zur Option der nachgelagerten Besteuerung gem. § 19a EStG in folgenden wesentlichen Punkten:
Anwendung § 19a EStG für vinkulierte Anteile:
Die im Rahmen des ZuFinG aufgenommene Klarstellung, dass auch beschränkt handelbare (vinkulierte) Anteile vom Anwendungsbereich des § 19a EStG erfasst sind, greift das BMF einen Beispielsfall zur Veranschaulichung auf.
Anpassung der Fördervoraussetzungen:
Im Zuge des ZuFinG wurden die Fördervoraussetzungen erweitert, um den sachlichen Anwendungsbereich des § 19a EStG auszudehnen.
So ist die vorläufige Nichtbesteuerung nach § 19a Abs. 1 EStG nur dann anzuwenden, wenn das Arbeitgeber-Unternehmen bei der Übertragung der Vermögensbeteiligung auf den Arbeitnehmer die gesetzlich normierten Schwellenwerte nach der KMU-Definition nicht überschreitet oder in einem der sechs vorangegangenen Kalenderjahre nicht überschritten hat und die Gründung des Unternehmens nicht mehr als 20 Jahre vor dem Zeitpunkt der Übertragung liegt. Hinsichtlich der KMU-Definition gelten für die Anwendung des § 19a EStG nunmehr folgende Schwellenwerte:
- Weniger als 1.000 Mitarbeiter (zuvor 250 Mitarbeiter) und
- Jahresumsatz höchstens 100 Mio. Euro (zuvor 50 Mio. Euro) oder
Jahresbilanzsumme höchstens 86 Mio. Euro (zuvor 43 Mio. Euro)
Erwähnenswert ist, dass das BMF-Schreiben vom 1. Juni 2024 im Gegensatz zum BMF-Schreiben vom 16. November 2021 bei der Prüfung der Schwellenwerte nun nicht mehr die Partnerunternehmen und verbundenen Unternehmen miteinbezieht. Diese verwaltungsseitige Rechtsauffassung im Rahmen des nun überholten BMF-Schreibens vom 16. November 2021 wurde schon damals als unvereinbar mit dem Gesetzeswortlaut des § 19a Abs. 3 EStG kritisiert. Nun sind die Schwellenwerte - offensichtlich auch aus Sicht der Finanzverwaltung - unternehmensbezogen zu prüfen, ohne dass die betriebswirtschaftlichen Daten der Partnerunternehmen bzw. verbundenen Unternehmen miteinzubeziehen wären.
Aufnahme von „Bad Leaver – Fällen“:
Nach § 19a Abs. 4 S. 4 HS. 2 EStG tritt in den Fällen der Beendigung des Dienstverhältnisses bei einem Rückerwerb der Vermögensbeteiligung durch den Arbeitgeber, einen Gesellschafter des Arbeitgebers oder ein Unternehmen im Sinne des § 18 AktG an die Stelle des gemeinen Werts die vom Arbeitgeber gewährte Vergütung. Diese Regelung ist durch das ZuFinG für Veranlagungszeiträume ab 2024 eingeführt worden. Damit wird der (Bad) Leaver-Fall ausdrücklich als gesetzlich normierte Ausnahme von der ansonsten üblichen Bewertung des geldwerten Vorteils mit dem gemeinen Wert aufgenommen. Die Finanzverwaltung stellt in ihrem aktuellen BMF-Schreiben klar, dass dies auch für Vermögensbeteiligungen gelte, die bereits vor 2024 an den Mitarbeiter übertragen wurden.
Haftungsübernahme durch den Arbeitgeber nach § 19a Abs. 4a EStG:
Mit der Neuregelung der Haftungsübernahme durch den Arbeitgeber gem. § 19a Abs. 4a EStG ermöglicht der Gesetzgeber ein weiteres Hinausschieben der nachträglichen Besteuerung. Eine nachträgliche Besteuerung aufgrund des Ablaufs von 15 Jahren oder wegen Beendigung des Dienstverhältnisses führt nicht zu einer nachträglichen Besteuerung, wenn der Arbeitgeber unwiderruflich erklärt, dass er für die einzubehaltende und abzuführende Lohnsteuer nach § 42d EStG haftet. In diesen Fällen löst erst die spätere tatsächliche entgeltliche oder unentgeltliche Übertragung der Anteile die nachträgliche Besteuerung aus.
Das BMF-Schreiben vom 1. Juni 2024 konkretisiert nun die Compliance-Erfordernisse einer wirksamen Haftungsübernahme. So hat die Erklärung des Arbeitgebers zur Haftungsübernahme spätestens in der dem betreffenden Ereignis folgenden Lohnsteuer-Anmeldung zu erfolgen. Das ist die Lohnsteuer-Anmeldung, mit der die aufgrund der Nachversteuerung einzubehaltende Lohnsteuer hätte angemeldet werden müssen.
(Noch) Keine Umsetzung der Konzernklausel:
In der aktuell gültigen Fassung des § 19a EStG ist die Regelung nur bei Beteiligung unmittelbar am Arbeitgeber-Unternehmen anwendbar und nicht bei der Zuwendung von Anteilen an einem verbundenen Unternehmen (beispielsweise der Holdinggesellschaft des Arbeitgeber-Unternehmens). Dies wird auch im aktuellen BMF-Schreiben nochmals bestätigt. Es bleibt damit abzuwarten, ob die im Regierungsentwurf des Jahressteuergesetzes 2024 für die Anwendung des § 19a EStG vorgesehene Konzernklausel entsprechend umgesetzt wird und damit eine erneute Anpassung des jetzigen BMF-Schreibens erforderlich macht.
Die Neuregelungen durch das BMF-Schreiben gelten rückwirkend ab 1. Januar 2024.
Gerne beraten wir Sie bei der steuerlichen Ausgestaltung Ihres individuellen Mitarbeiterprogramms (ESOP, VSOP, Hurdle Shares bzw. NLP-Shares, stundungsbegünstigte Mitarbeiterbeteiligung nach § 19a EStG, Genussrechtsprogramme, etc.). Kommen Sie gerne auf uns zu.