Steuerliche Anerkennung eines punktuell satzungsdurchbrechenden inkongruenten Ausschüttungsbeschlusses

Sogenannte inkongruente oder auch disquotale Gewinnausschüttungen liegen vor, wenn die Erlösverteilung unter den Gesellschaftern nicht proportional im Verhältnis der bei der GmbH vorherrschenden Beteiligungsverhältnisse erfolgt, sondern ein davon abweichender Gewinnverteilungsschlüssel zwischen den Gesellschaftern gewählt wird. Inkongruente Gewinnausschüttungen erfreuen sich in der laufenden Beratungspraxis zunehmender Beliebtheit, stehen jedoch bezüglich ihrer steuerlichen Anerkennung seither im Fokus der Finanzverwaltung.

Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind inkongruente Gewinnverteilungen steuerlich anzuerkennen, wenn die inkongruente Gewinnverteilung zivilrechtlich wirksam ist, d.h. auf einer satzungsmäßigen Grundlage im Gesellschaftsvertrag beruht, und kein steuerlicher Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO vorliegt. Für eine steuerliche Anerkennung einer inkongruenten Gewinnverteilung fordert die Finanzverwaltung damit, entweder eine im Gesellschaftsvertrag geregelte von den Beteiligungsverhältnissen abweichende Gewinnverteilung oder eine in der Satzung aufgeführte sog. Öffnungsklausel, die via Gesellschafterbeschluss eine abweichende Gewinnverteilung gestattet.

Entgegen dieser Ansicht hat der BFH mit Urteil vom 28. September 2022 entschieden, dass eine inkongruente Gewinnverteilung unter bestimmten Voraussetzungen trotz einer diesbezüglich fehlenden Regelung im Gesellschaftsvertrag steuerlich anzuerkennen ist und auch insofern kein Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO angenommen werden kann. Im Urteilsfall wurden inkongruente Vorabgewinnausschüttungsbeschlüsse gefasst, ohne, dass hierzu in der Satzung eine entsprechende Regelung oder Öffnungsklausel aufgenommen wurde. Der BFH kam zu dem Ergebnis, dass Gewinnausschüttungsbeschlüsse, die nicht nichtig sind oder nicht aufgrund einer Anfechtung für nichtig erklärt werden oder von keinem der Gesellschafter angefochten werden können, zivilrechtlich wirksame und damit steuerlich anzuerkennende Gewinnverwendungsbeschlüsse darstellen. Da im zu entscheidenden Fall die Ausschüttungsbeschlüsse einstimmig gefasst wurden, hätten diese von keinem Gesellschafter angefochten werden können. Damit widersprachen die Ausschüttungsbeschlüsse zwar der Satzung, waren jedoch entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung nicht nichtig, sondern als punktuell satzungsdurchbrechende Ausschüttungsbeschlüsse zivilrechtlich wirksam und bindend.

Der BFH unterscheidet hierbei zwischen satzungsdurchbrechenden Beschlüssen mit Dauerwirkung und punktuell satzungsdurchbrechenden Beschlüssen. So sind satzungsdurchbrechende Gesellschafterbeschlüsse, die einen vom Regelungsinhalt der Satzung abweichenden rechtlichen Zustand mit Dauerwirkung (und sei es auch nur für einen begrenzten Zeitraum) begründen, (selbst im Fall eines einstimmig gefassten Beschlusses) nichtig, wenn bei der Beschlussfassung nicht alle materiellen und formellen Bestimmungen einer Satzungsänderung, d.h. insbesondere die notarielle Beurkundung und Eintragung des Beschlusses in das Handelsregister eingehalten werden.

Zu unterscheiden sind hierzu rein punktuell satzungsdurchbrechende Beschlüsse, deren Wirkung sich in der betreffenden Maßnahme als Einzelakt erschöpft, sodass die Satzung durch den Beschluss zwar verletzt wird, aber nicht mit Wirkung für die Zukunft geändert werden soll. Solche punktuell wirkenden Beschlüsse sind nicht nichtig, aber bei der GmbH entsprechend § 243 Abs. 1 AktG anfechtbar.

Das BFH-Urteil ist insofern für die Beratungspraxis bedeutsam, als dass es die bisherigen Grundsätze der steuerlichen Anerkennung disquotaler Gewinnausschüttungen erweitert. Es darf jedoch nicht insoweit missverstanden werden, dass satzungsdurchbrechende inkongruente Gewinnausschüttungen steuerlich stets anzuerkennen wären. So ist für Zwecke der steuerlichen Anerkennung stets eine Einzelfallprüfung auf Grundlage der konkreten Satzung erforderlich, ob der Ausschüttungsbeschluss nichtig oder nur anfechtbar ist. Um Rechtsstreitigkeiten mit der Finanzverwaltung vorzubeugen, ist damit noch immer zu empfehlen, dass eine von den Beteiligungsverhältnissen abweichende Gewinnverteilung oder eine Öffnungsklausel in der Satzung entsprechend festgeschrieben wird.

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