Streubesitzdividenden nach § 8b Abs. 4 KStG und unterjähriger Beteiligungserwerb

Grundsätzlich sind Dividenden bei inländischen Kapitalgesellschaften gem. § 8b KStG zu 95% steuerfrei. Dies gilt allerdings nicht, d.h. es besteht volle Körperschaft- und Gewerbesteuerpflicht, wenn diese Bezüge aus Streubesitzbeteiligungen, d.h. Beteiligungen mit einer unmittelbaren Beteiligungshöhe von weniger als 10%, stammen (§ 8b Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 1 KStG).

Dem Wortlaut des § 8b Abs. 4 S. 1 KStG nach kommt es für die Beurteilung dieser 10% - Grenze auf die Beteiligungshöhe zu Beginn des Kalenderjahres an. Unterjährig erworbene Beteiligungen mit einer Beteiligungshöhe von mindestens 10% (als sogenannter „Blockerwerb“), gelten aber fiktiv als zu Beginn des Kalenderjahres erworben, d.h. Gewinnbezüge aus einer solchen Beteiligung fallen damit unter die Steuerbefreiung von 95%.

Das FG Hessen hat am 15. März 2021 im Urteil 6K 1163/17 entgegen der bis dato vertretenen Verwaltungsauffassung entschieden, dass die Rechtsfolge der Rückwirkungsfiktion des § 8b Abs. 4 S. 6 KStG und damit die mögliche Steuerbefreiung von Gewinnausschüttungen bereits dann eintritt, wenn unterjährig mehrere Erwerbe jeweils unter der 10% - Grenze getätigt werden, diese in der Summe aber mindestens 10% ergeben. Ausreichend sei, dass die unterjährig erworbenen Beteiligungen zu irgendeinem Zeitpunkt im Laufe des Kalenderjahres eine Beteiligungshöhe von mindestens 10% erreichen.

Die Vorschrift des § 8b Abs. 4 S. 6 KStG, wonach nach Verwaltungsauffassung unterjährig eine Beteiligung von mindestens 10% erworben werden muss, um in die die Begünstigung der Rückwirkungsfiktion zu kommen, muss nach Ansicht des FG Hessen teleologisch reduziert werden. Auf die Anzahlt der zivilrechtlichen Vorgänge, die im Laufe des Kalenderjahrs zur Entstehung der Beteiligungshöhe beigetragen haben, soll es nicht ankommen.
Folgendes Beispiel soll die aktuelle Verwaltungsauffassung und die sich durch das genannte FG-Urteil ergebenen Änderungen verdeutlichen:

Sachverhalt: Keine Beteiligung zu Beginn des Kalenderjahres, Erwerb einer Beteiligung von 20% am 1. April, einer Beteiligung von 7% am 1. Juni und einer Beteiligung von 4% am 1. September, Gewinnausschüttung am 5. Dezember.

Nach bisher geltender Auffassung wäre die Steuerbefreiung unter Berücksichtigung der Rückwirkungsfiktion auf den Beginn des Kalenderjahres nur für den Erwerb über 20% am 1. April anwendbar. Da am 1. Juni und 1. September weniger als 10% erworben wurden, unterliegen die auf diese Anteile entfallenden Gewinnausschüttungen voll der Körperschaftsteuer.

Wird dagegen die Auffassung des FG Hessens verfolgt, wäre die unterjährig erworbene Beteiligung in ihrer Gesamtsumme von 31% fiktiv zum 1. Januar erworben worden und die Gewinnausschüttungen unterlägen der Steuerbefreiung des § 8b Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 1 KStG.

Die OFD Frankfurt hält in ihrer Verfügung vom 16. August 2021 dagegen an der bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung, unterjährige Beteiligungserwerbe nur dann der Regelung der Rückwirkungsfiktion des § 8b Abs. 4 S. 6 KStG zu unterwerfen, wenn die Beteiligungshöhe mindestens 10% („Blockerwerb“) beträgt, fest.

Gegen die Entscheidung des FG Hessen wurde seitens der Finanzverwaltung die zugelassene Revision eingelegt (Az. des BFH: I R 16/21). Bis zur Entscheidung der Streitfrage durch den BFH sollten vergleichbare Fälle durch Einspruch offengehalten werden.

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