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Umsatzsteuerliche Behandlung von Miet- und Leasingverträgen – Änderung der Verwaltungsansicht

Bei Miet- und Leasingverträgen stellt sich - neben der ertragsteuerlichen Frage der Zuordnung des geleasten Wirtschaftsguts – stets auch die Frage, ob umsatzsteuerlich eine Lieferung oder sonstige Leistung vorliegt. Bei einer sonstigen Leistung ist die Umsatzsteuer auf die jeweiligen Leasingraten zu entrichten. Die Qualifizierung Lieferung hat jedoch zur Folge, dass die Umsatzsteuer bereits bei Beginn des Vertrages entsteht und zwar berechnet auf sämtliche Zahlungen, die im Leasingvertrag vereinbart sind.

Änderung der Abgrenzungskriterien

Für die Abgrenzung, ob umsatzsteuerlich eine sonstige Leistung oder eine Lieferung vorliegt, wurde bisher stets auf die ertragsteuerlichen Grundsätze zurückgegriffen. Wurde der Leasinggegenstand einkommensteuerrechtlich dem Leasing-Nehmer zugeordnet, wurde eine Lieferung angenommen.

Bereits mit Urteil vom 04. Oktober 2017 hat der EuGH in der Rechtssache Mercedes-Benz Financial Services (C-164/16) klare Vorgaben gemacht, wie europarechtlich die Abgrenzung von Lieferungen und sonstigen Leistungen bei Miet- und Leasingverträgen erfolgen müsse. Nach über zwei Jahren hat sich nun auch die Finanzverwaltung der Ansicht des EuGH angeschlossen und eine Abkehr von den ertragsteuerlichen Maßgaben vollzogen.

Nunmehr müssen für Annahme einer Lieferung die nachfolgenden Voraussetzungen vorliegen:

  • Der Miet- oder Leasingvertrag muss eine ausdrückliche Klausel zum Übergang des Eigentums an dem Leasinggegenstand vom Leasinggeber auf den Leasingnehmer enthalten.

  • Aus den Vertragsbedingungen muss deutlich hervorgehen, dass das Eigentum bei planmäßiger Vertragserfüllung automatisch auf den Leasingnehmer übergehen soll.

Ausreichend ist ebenfalls, wenn der Vertrag eine (formal unverbindliche) Kaufoption für den Leasinggegenstand enthält. Dann wird umsatzsteuerlich eine Lieferung angenommen, wenn die Optionsausübung als einzige wirtschaftlich rationale Möglichkeit für den Leasingnehmer erscheint; d.h. dem Leasingnehmer verbleibt zum Zeitpunkt der Optionsausübung keine echte wirtschaftliche Alternative. Dies soll wiederum der Fall sein, wenn zum Zeitpunkt der Optionsausübung die Summe der vertraglichen Raten dem Verkehrswert des Gegenstands einschließlich der Finanzierungskosten entspricht. Der Leasingnehmer darf in diesem Fall wegen der Ausübung der Option keine erhebliche Summe zusätzlich entrichten müssen. Eine „erhebliche Summe“ im Sinne dieser Anweisung soll dann vorliegen, wenn der zu entrichtende Betrag 1 % des Verkehrswertes des Gegenstands im Zeitpunkt der Optionsausübung übersteigt.

Folgen für die Praxis

Die Grundsätze des BMF-Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden.

Bei Leasing- und Mietverträgen, die vor dem 18. März 2020 geschlossen wurden, wird es jedoch nicht beanstandet, wenn die bisherige Verwaltungsauffassung, d.h. die Abgrenzung nach ertragsteuerlichen Grundsätzen, weiterhin Anwendung findet. Dies gilt sowohl für die umsatzsteuerliche Beurteilung beim Leasing-Geber als auch den Vorsteuerabzug des Leasing-Nehmers.

Die Nichtbeanstandungsklausel für Altfälle ist sehr erfreulich, da im Hinblick auf bereits abgeschlossene Verträge keine Vertragsanpassungen und keine Änderung der bisherigen umsatzsteuerlichen Würdigung vorgenommen werden muss. Beim Abschluss neuer Verträge müssen die neuen umsatzsteuerlichen Vorgaben zwingend beachtet werden. Künftig kann es damit zum Auseinanderfallen der ertragsteuerlichen und der umsatzsteuerlichen Beurteilung führen.

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