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Umsatzsteuerliche Organschaft – die Eingliederung der Personengesellschaften auf dem europäischen Prüfstand

Mit seiner Vorlage vom 21. November 2019 (5 K 5044/19) hat das FG Berlin-Brandenburg Zweifel an der derzeitigen deutschen Regelung zur Eingliederung von Personengesellschaften in den umsatzsteuerlichen Organkreis geäußert. Im Kern geht es um die Frage, ob die Beschränkung auf Personengesellschaften, deren Gesellschafter – neben dem Organträger – nur Personen sind, die finanziell in den umsatzsteuerlichen Organkreis eingegliedert sind („Fremd-Gesellschafter“), europarechtlich zulässig ist. Die Einschränkung hat zur Folge, dass Personengesellschaften mit Fremdinvestoren – beispielsweise Joint Ventures – die Privilegien einer umsatzsteuerlichen Organschaft nicht in Anspruch nehmen können.

Hintergrund

Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen eines Organträgers eingegliedert ist. Der Wortlaut der deutschen Regelung beschränkt sich auf juristische Personen und schließt Personengesellschaften als Organgesellschaften generell aus. Diese Beschränkung wurde durch den EuGH in der Rechtssache Larentia + Minerva (Urteil vom 16. Juli 2015, C-108/14 und C-109/14) beanstandet, da die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie eine derartige Einschränkungsbefugnis nicht vorsieht. Der V. Senat des BFH hat daraufhin im Wege einer „teleologischen Extension“ geurteilt, dass – entgegen des klaren Wortlauts des Gesetzes – ausnahemsweise auch eine Personengesellschaft Organgesellschaft sein könne. Voraussetzung sei allerdings, dass neben dem Organträger Gesellschafter nur Personen sind, die selbst finanziell in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sind.

Als Begründung für die Einschränkung hat der BFH seinerzeit ausgeführt, dass bei Personengesellschaften eine einfache und sichere Bestimmung des Steuerschuldners d.h. des Organträgers, nicht möglich sei. Anders als bei juristischen Personen besteht für den Abschluss und die Änderung von Gesellschaftsverträgen kein Formzwang; auch mündliche Abreden sind damit wirksam. Da bei Personengesellschaften – sofern nicht anders vereinbart – das Einstimmigkeitsprinzip gilt, wäre mit einem Gesellschafter, der selbst nicht finanziell in die Organschaft eingegliedert ist, die Willensdurchsetzung des Organträgers nicht gewährleistet. Zwar kann das Einstimmigkeitsprinzip abweichend – beispielsweise zugunsten von Mehrheitsentscheidungen – geregelt werden. Jedoch könne dann mangels Formvorschriften die Person des Steuerschuldners nicht „einfach und rechtssicher“ bestimmt werden.

Die Finanzverwaltung hat sich in Abschnitt 2.8. UStEA dieser Ansicht angeschlossen.

EuGH-Vorlage des FG Berlin Brandenburg

Mit seiner Vorlage an den EuGH macht das FG Berlin-Brandenburg deutliche Zweifel an der europarechtlichen Zulässigkeit der Beschränkungen bei der Eingliederung von Personengesellschaften geltend.

Es weist u.a. darauf hin, dass der Grundsatz der Rechtssicherheit den Steuerpflichtigen und nicht die Verwaltung bei der Anwendung von Rechtsnormen schützen soll. Zwar hat der EuGH in seinem Urteil Larentia + Minerva geurteilt, dass Beschränkungen beim persönlichen Anwendungsbereich nicht ausgeschlossen sind, wenn sie eine geeignete Maßnahme zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Steuerhinterziehung sind. Allerdings hegt das FG Zweifel, ob die Einschränkung bei Personengesellschaften diesem Zweck dient und darüber hinaus dann auch verhältnismäßig wäre.

Folgen für die Praxis

Die Entscheidung des EuGH bleibt abzuwarten. Eine Absage an die beschränkende Ansicht der Finanzverwaltung und den Ausschluss von Personengesellschaften mit „Fremd-Gesellschaftern“ könnte bei vielen Unternehmen die Erweiterung der umsatzsteuerlichen Organschaft ermöglichen. Dies kann insbesondere bei Konzernverbunden, die umsatzsteuerfreie Leistungen erbringen, zu positiven umsatzsteuerlichen Effekten führen.

Unternehmen, die aufgrund der Beschränkungen keine Personengesellschaften mit „Fremd-Gesellschaftern“ in ihre umsatzsteuerliche Organschaft einbeziehen konnten, können gegen die betreffenden USt-Festsetzungen (beim Organträger und bei der jeweiligen Personengesellschaft) Einspruch einlegen und bis zur Entscheidung des EuGH ein Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 AO beantragen.

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