Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen Neuregelung zur Haftung elektronischer Marktplätze

Die Europäische Kommission hat am 10. Oktober 2019 beschlossen, im Zusammenhang mit dem Verkauf von Waren über digitale Marktplätze, ein Aufforderungsschreiben an Deutschland zu richten und somit ein förmliches Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten.

Hintergrund für dieses Schreiben sind die seit dem 1. Januar 2019 im deutschen Umsatzsteuergesetz verankerten Vorschriften der §§ 22f, 25e UStG. Gemäß diesen Vorschriften haftet der Betreiber eines elektronischen Marktplatzes für die nicht entrichtete Umsatzsteuer aus der Lieferung eines Unternehmers, die auf dem von ihm bereitgestellten Marktplatz rechtlich begründet worden ist. Nach dem am 14. Dezember 2018 verkündeten „Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ sollen Marktplatzbetreiber dazu gebracht werden, nur noch mit Onlinehändlern zusammenzuarbeiten, die nachweisen können, dass sie in Deutschland registriert sind. Der Betreiber des Marktplatzes kann die Haftung nur dann vermeiden, wenn er eine Bescheinigung vorlegen kann, die dem auf seiner Plattform tätigen Verkäufer von der deutschen Steuerbehörde ausgestellt wurde.

Diese Verpflichtung ist nach Auffassung der Kommission (INF/19/5950) ineffizient und unverhältnismäßig. Zudem behindert sie den Zugang europäischer Unternehmen zum deutschen Markt, was einen Verstoß gegen das EU-Recht darstellt. Darüber hinaus haben sich die EU-Mitgliedstaaten bereits auf gemeinsame und effizientere Maßnahmen zur Bekämpfung von Mehrwertsteuerbetrug geeinigt. Diese treten am 1. Januar 2021 in Kraft. Die den Betreibern digitaler Marktplätze zur Vermeidung der gesamtschuldnerischen Haftung auferlegte Verpflichtung in Deutschland geht über das in den EU-Vorschriften vorgesehene Maß hinaus und steht im Widerspruch zu den Zielen der Strategie für einen digitalen Binnenmarkt.

In ihrem Schreiben fordert die EU-Kommission Deutschland nun dazu auf, Abhilfe zu schaffen und die entsprechenden Neuregelungen zulasten der Betreiber der elektronischen Marktplätze zu widerrufen. Kommt Deutschland dieser Aufforderung nicht nach, kann die Kommission den deutschen Behörden in dieser Sache eine mit Gründen versehene Stellungnahme übermitteln. Sollte danach noch immer keine Anpassungen der Vorschrift erfolgen, kann die Kommission – als letzten Schritt dieses förmlichen Vertragsverletzungsverfahrens – Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen. Es bleibt abzuwarten, ob der deutsche Gesetzgeber dieser Aufforderung nachkommen und die Regelungen für die Betreiber anpassen wird. Dies könnte z.B. durch Begrenzung des Anwendungsbereichs auf Onlinehändler aus Drittländern erfolgen.

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