Wegzugsbesteuerung im Verhältnis zur Schweiz, § 6 AStG
Verzieht eine mindestens zehn Jahre in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige Person ins Ausland, sieht das deutsche Außensteuergesetz eine fiktive Besteuerung des Vermögenszuwachses aus wesentlichen Beteiligungen vor. Als wesentlich gilt eine Beteiligung dann, wenn der Steuerpflichtige im Zeitpunkt des Wegzugs mehr als 1 % am Kapital einer Gesellschaft hält. Hintergrund für diese Regelung ist, dass mit dem Wegzug in aller Regel ein Verlust des deutschen Besteuerungsrechts an einem späteren Veräußerungsgewinn aus der Beteiligung einhergeht. Um einen Verstoß gegen europäische Grundfreiheiten zu vermeiden, sieht das Gesetz eine zinslose Stundung ohne Sicherheitsleistung vor, sofern der Steuerpflichtige Staatsangehöriger eines EU/EWR-Staats ist und in einen solchen verzieht. Eine tatsächliche Erhebung der Steuer erfolgt erst, wenn die Beteiligung später tatsächlich veräußert wird. In allen anderen Fällen existiert lediglich die Möglichkeit einer ratierlichen Streckung der Steuerlast, welche eine Einziehung über maximal fünf Jahre in gleichen Teilbeträgen vorsieht.
Der EuGH hat diese Regelung nun im Verhältnis zur Schweiz für nicht europarechtskonform erklärt, soweit ein Steuerpflichtiger zunächst in der Schweiz erwerbstätig ist und dann in diese verzieht. In diesem Fall sei das sog. Freizügigkeitsabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz anwendbar, das die dort erfassten Personen vor einer steuerlichen Diskriminierung schützt. Die grundsätzliche Vornahme einer fiktiven Veräußerungsgewinnbesteuerung wird dabei vom EuGH aber ausdrücklich nicht gerügt, da der Wegzugsstaat in aller Regel sein Besteuerungsrecht verliert und ihm durch eine solche Regelung die Sicherung seines Steueraufkommens ermöglicht werden soll. Eine Besteuerung des fiktiven Veräußerungsgewinns ohne Stundungsmöglichkeit würde aber über das erforderliche Maß zur Sicherung des deutschen Steueraufkommens hinausgehen. Deshalb sei in Bezug auf die Schweiz zumindest eine zeitlich unbegrenzte Stundung notwendig. Andernfalls liege eine ungerechtfertigte Beschränkung des durch das Freizügigkeitsabkommen garantierten Rechts auf freie Niederlassung vor.
Die Entscheidung des EuGHs verdeutlicht, dass zumindest im Verhältnis Deutschland Schweiz im Wegzugsfall eine Anwendung der zeitlich unbegrenzten Steuerstundungsregelung geboten ist. Zu beachten ist allerdings, dass Deutschland die Stundung mit einer Sicherheitsleistung durch den Steuerpflichtigen verbinden kann, da zwischen der Schweiz und Deutschland kein bilaterales Bündnis zur Steuerbeitreibung existiert. Es bleibt abzuwarten wie die Finanzverwaltung oder der Gesetzgeber auf diese Rechtsprechung reagieren.