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Zuordnungsfrist bei gemischt genutzten Gegenständen

Hintergrund

Bei der Anschaffung oder Herstellung von Wirtschaftsgütern, die sowohl unternehmerisch als auch nichtunternehmerisch verwendet werden sollen, ist für Zwecke des Vorsteuerabzugs eine Zuordnungsentscheidung notwendig. Der Unternehmer hat insoweit ein Zuordnungswahlrecht, ob er den jeweiligen Gegenstand voll oder lediglich anteilig im Umfang der tatsächlichen unternehmerischen Verwendung seinem (umsatzsteuerlichen) Unternehmensvermögen zuordnet. Nach Ansicht der Finanzverwaltung und der (deutschen) Rechtsprechung ist die Zuordnungsentscheidung zeitnah, d.h. spätestens bis zur gesetzlichen Regelabgabefrist für Steuererklärungen (d.h. bis zum 31. Juli des Folgejahres, für das Jahr 2020 bis zum 1. November 2021) zu dokumentieren (Abschn. 15.2c Abs. 16 Satz 5 UStAE).

Die Zuordnungsfrist gilt als Ausschlussfrist, d.h. eine Verlängerung der Abgabefrist für die Umsatzsteuer-Jahreserklärung ist für die Zuordnungsfrist unbeachtlich. Aufgrund divergierender Rechtsprechung des EuGH hat der BFH nun den EuGH um Klärung ersucht, ob die von ihm entwickelten Grundsätze zur Ausübung des Zuordnungswahlrechts im Rahmen der festen Zuordnungsfrist unionsrechtsmäßig sind.

Entscheidung des EuGH

Dem Vorlageverfahren liegen zwei Sachverhalte zugrunde:

  • Im ersten Fall ließ ein Gerüstbauunternehmer ein Einfamilienhaus errichten, in dem ein Arbeitszimmer vorgesehen war, das unternehmerisch genutzt werden sollte. Den entsprechenden Vorsteuerabzug machte er erstmals in der Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2015 geltend, die er im September 2016 abgab.
  • Im zweiten Fall ließ der Kläger im Jahr 2014 auf seinem Wohnhaus eine Photovoltaikanlage installieren, wobei er den Strom teilweise selbst verbrauchte, teilweise verkaufte er ihn an Energieversorger. Ende Februar 2016 reichte er die Jahreserklärung für das Jahr 2014 beim Finanzamt ein, in der er erstmalig die Vorsteuer aus der Lieferung und Installation der Photovoltaikanlage geltend machte.

In beiden Fällen versagte das Finanzamt den jeweiligen Vorsteuerabzug mit der Begründung, dass die Zuordnungsentscheidung nach dem Ablauf der Zuordnungsfrist gegenüber dem Finanzamt erklärt wurde.

Der BFH legte dem EuGH entsprechend die Frage vor, ob das Recht auf Vorsteuerabzug ausgeschlossen werden kann, wenn – in den Fällen, in denen ein Zuordnungswahlrecht beim Leistungsbezug besteht – bis zum Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist für die Umsatzsteuer-Jahreserklärung keine für die Finanzbehörden erkennbare Zuordnungsentscheidung abgegeben wurde.

Nach Ansicht des EuGH sind die in Frage stehenden festen Zuordnungsfristen nicht grundsätzlich unionsrechtswidrig. Zwar stelle die Zuordnungsentscheidung als solche keine materielle Voraussetzung für den Vorsteuerabzug, die Dokumentation und fristgerechte Mitteilung dieser Entscheidung gegenüber der Finanzverwaltung aber eine formelle Voraussetzung dar. Ein Verstoß gegen die Dokumentationsfrist allein kann daher grundsätzlich nicht zum Verlust des Rechts auf Vorsteuerabzug führen. Die Zuordnungsfrist kann nach dem EuGH zur Wahrung der Rechtssicherheit gerechtfertigt sein, da ein Fehlen jeglicher zeitlichen Beschränkungen diesem Grundsatz widerspricht. Ob die feste Zuordnungsfrist in diesem Sinne verhältnismäßig ist, hat das vorlegende Gericht zu prüfen.

Auswirkungen für die Praxis

Mag die Entscheidung des EuGH etwas überraschen, ist es doch sehr unwahrscheinlich, dass der BFH seine bisherige Rechtsansicht ändert und moderatere Fristen für die Zuordnungsentscheidung zulässt.

Voraussichtlich wird die Zuordnungsentscheidung weiterhin vor dem Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist für die Umsatzsteuerjahreserklärung dem Finanzamt mitgeteilt werden müssen.

Unternehmer, die entsprechende Wirtschaftsgüter, die nur teilweise unternehmerisch genutzt werden sollen (beispielsweise Immobilien, Fahrzeuge oder aktuell auch Photovoltaikanlagen) anschaffen, sollten die gesetzlichen Abgabefristen (31. Juli des Folgejahres) stehts im Auge behalten, um die Versagung des Vorsteuerabzugs nicht zu riskieren. Wird für die Abgabe der Umsatzsteuer-Jahreserklärung eine Fristverlängerung in Anspruch genommen, muss die Zuordnungsentscheidung dennoch vor Ablauf der gesetzlichen Frist erfolgen. Dies kann formlos gegenüber dem Finanzamt erklärt werden.

Dies gilt gleichermaßen für die Frage, ob als auch, in welchem Umfang das Wirtschaftsgut dem (umsatzsteuerlichen) Unternehmen zugeordnet werden soll.

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