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Zeitpunkt der Gewinnrealisierung bei sog. Earn-Out Zahlungen

Hintergrund

Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb Gewinne, die bei der Veräußerung des gesamten Anteils eines Gesellschafters, der als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs anzusehen ist (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG), erzielt werden. Der Veräußerungsgewinn ermittelt sich dabei aus der Differenz zwischen Veräußerungspreis und Buchwert des Anteils am Betriebsvermögen. Der Veräußerungspreis ist der tatsächlich erzielte Erlös. Darunter fallen alle Leistungen, die der Veräußerer vom Erwerber für die Übertragung erhält. Der Veräußerungsgewinn entsteht grundsätzlich im Veräußerungszeitpunkt bei Übergang des wirtschaftlichen Eigentums unabhängig davon, ob der vereinbarte Kaufpreis sofort fällig, in Raten zahlbar oder langfristig gestundet ist und wann der Verkaufserlös dem Veräußerer tatsächlich zufließt. Dieser ist somit stichtagsbezogen auf den Veräußerungszeitpunkt zu ermitteln. Eine spätere Veränderung des vereinbarten Kaufpreises ist dabei gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO rückwirkend auf den Zeitpunkt der Veräußerung zu berücksichtigen.

Im Urteil vom 9. November 2023 - IV R 9/21 setzt sich der BFH mit der Frage auseinander, ob diese stichtagsbezogene Besteuerung auch bei variablen Kaufpreisbestandteilen (sogenannte Earn-Out-Zahlungen) anzuwenden ist.

Entscheidung des BFH

Nach Auffassung des BFH müssen die fixen und variablen Kaufpreisbestandteile für die Frage des Besteuerungszeitpunktes getrennt betrachtet werden. Der oben aufgeführte Grundsatz der stichtagsbezogenen Besteuerung des Veräußerungsgewinnes ist lediglich für den fixen Kaufpreisbestandteil anzuwenden. Neben dem Festkaufpreis zu leistende gewinn- oder umsatzabhängige Kaufpreisbestandteile sind hingegen erst im Zeitpunkt des Zuflusses als nachträgliche Betriebseinnahmen gem. § 24 Nr. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu versteuern und erhöhen somit eben nicht rückwirkend den Veräußerungsgewinn nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG im Veräußerungszeitpunkt. Es handelt sich dabei um eine Ausnahme der stichtagsbezogenen Besteuerung. Der BFH bestätigt dabei, dass dies ebenfalls bei Earn-Out-Klauseln, bei denen das Entstehen der sich hieraus ergebenden variablen Kaufpreisbestandteile sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach ungewiss ist, anzuwenden ist. Als Grund für diese abweichende Betrachtung wird aufgeführt, dass es sich bei gewinn- oder umsatzabhängigen Kaufpreisforderungen um aufschiebend bedingte Kaufpreisansprüche gem. § 158 Abs. 1 BGB handelt, bei denen im Zeitpunkt der Veräußerung weder feststeht, ob rechtlich in einem der Folgejahre eine Kaufpreisforderung entsteht, noch, wie hoch diese sein wird. Nach ständiger BFH-Rechtsprechung ist somit auf die Realisation des Veräußerungsentgelts abzustellen, da der Veräußerer die Gewinne durch die variable Kaufpreisforderung erst im Zeitpunkt des Zuflusses erzielt.

Fazit

Es ist festzuhalten, dass bei Kaufpreisbestandteilen, welche sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach ungewiss sind, auf die Realisation des Veräußerungsentgelts abzustellen ist. Diese sind genauso wie andere gewinn- oder umsatzabhängige Kaufpreisforderungen zu behandeln und erst im Zeitpunkt des Zuflusses zu besteuern.

Klarzustellen ist auch, dass es eben kein Wahlrecht zwischen der sofortigen Versteuerung eines Veräußerungsgewinns nach §§ 16, 34 EStG und einer nicht tarifbegünstigten Besteuerung der nachträglichen Betriebseinnahmen im Jahr des Zuflusses gibt.

Nicht vom BFH entschieden wurde, wie die Besteuerung zu erfolgen hat, wenn die Höhe der variablen Kaufpreisbestandteile bereits fest vereinbart wurden und diese lediglich dem Grunde nach ungewiss sind. Da jedoch auch in diesem Fall eine Unsicherheit der Besteuerung besteht, dürfte es auch hier gerechtfertigt sein, von einer stichtagsbezogenen Betrachtung (Rückwirkung auf den Veräußerungszeitpunkt) abzusehen.

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