BMF-Schreiben zur Verfassungswidrigkeit der Nachzahlungs- und Erstattungszinsen

Bereits mit Newsletter vom 24. August 2021 durften wir Sie über den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 8. Juli 2021 informieren, wonach die bisher geltende 6%ige Verzinsung von Steuernachforderungen und -erstattungen nach §§ 233a, 238 AO für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2014 für verfassungswidrig erklärt wurde. Trotz der Verfassungswidrigkeit ab 2014, ist die bisherige Vorschrift betreffend die Zinshöhe von 6% für die Verzinsungszeiträume 2014 bis 2018 weiter anwendbar. Diese Fortgeltungsanordnung liege nach Auffassung des BVerfG im Interesse einer verlässlichen Finanz- und Haushaltsplanung. Für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2019 besteht allerdings eine Anwendungssperre der bisherigen Regelung. Der Gesetzgeber ist damit verpflichtet bis zum 31. Juli 2022 eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen, die sich rückwirkend auf alle Verzinsungszeiträume nach dem 31. Dezember 2018 erstreckt.

Als Reaktion auf den Beschluss des BVerfG hat nun das BMF mit Schreiben vom 17. September 2021 eine Verwaltungsanweisung zum Umgang der Finanzbehörden im Zusammenhang mit der Festsetzung von Nachzahlungs- und Erstattungszinsen nach § 233a veröffentlicht. Die getroffenen Kernaussagen im BMF-Schreiben vom 17. September 2021 lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Sämtliche erstmalige Festsetzungen von Nachzahlungs- und Erstattungszinsen nach § 233a AO für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2019 werden ausgesetzt. Dies bedeutet, dass vorerst keine Zinsen festgesetzt werden. Die Zinsfestsetzung für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2019 wird nachgeholt, sobald die im Hinblick auf die Rechtslage herrschende Ungewissheit durch eine rückwirkende Gesetzesänderung beseitigt ist.
  • Für Verzinsungszeiträume bis 31. Dezember 2018 anfallende Nachzahlungs- oder Erstattungszinsen nach § 233a AO sind hingegen endgültig festzusetzen. Dies gilt sowohl im Falle einer erstmaligen Festsetzung wie auch im Falle der Änderung oder Berichtigung einer Zinsfestsetzung.
  • In Einspruchsfällen gegen die Zinsfestsetzung, soweit diese die Verzinsungszeiträume bis zum 31. Dezember 2018 betreffen, ist der Einspruch als unbegründet zurückzuweisen, soweit der Einspruch vom Zinsschuldner nicht selbst zurückgenommen wird (explizit zudem laut Allgemeinverfügung der obersten Finanzbehörden der Länder vom 29. November 2021). Eine gewährte Aussetzung der Vollziehung ist zu beenden, d.h. die Zinsschuld (soweit Verzinsungszeiträume bis zum 31. Dezember 2018 betreffend) ist zu entrichten.

Da trotz festgestellter Verfassungswidrigkeit die Zinshöhe von 6% für Verzinsungszeiträume 2014 bis 2018 dennoch anwendbar bleibt, kommt es für ausgesetzte Zinszeiträume bis 2018 u.U. zu nicht unerheblichen „Zinsnachzahlungen“.

Die Nicht-Festsetzung von Zinsen ab dem Verzinsungszeitraum 1. Januar 2019 ist bis zum Ergehen der rückwirkenden Neuregelung grundsätzlich zu begrüßen. Die vorübergehende Aussetzung der Zinsfestsetzung sollte jedoch nicht als „Zinsfreistellung“ missverstanden werden. Im Falle von Steuernachzahlungen ist mit Ergehen der Neuregelung mit einer nachträglichen Festsetzung von Nachzahlungszinsen in noch unbekannter Höhe zu rechnen.

Gerne unterstützen wir Sie bei Fragen rund um die Zinsthematik im Zusammenhang mit der vom BVerfG beschlossenen Verfassungswidrigkeit.

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