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Erweiterte Grundbesitzkürzung – Ländererlass nimmt zu den Bagatellgrenzen für Betriebsvorrichtungen und PV-Anlage Stellung

Bereits 2021 wurde das Fondsstandortgesetz (FoStoG) erlassen, welches u.a. auch Änderungen bzgl. der erweiterten Gewerbesteuerkürzung nach § 9 GewStG beinhaltete (vgl. unsere News vom 15. Juni 2022). Am 20. Juni 2022 haben nun die obersten Finanzbehörden der Länder gleichlautende Erlasse veröffentlicht, um erste Anwendungsfragen zu klären. Die wesentlichen Punkte haben wir im Folgenden für Sie zusammengefasst.

Gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG können Grundstücks- bzw. Wohnungsunternehmen – unabhängig von ihrer Rechtsform – auf Antrag bei der Ermittlung des Gewerbeertrags den auf die Grundstücksüberlassung entfallenden Gewerbeertrag kürzen (sog. erweiterte Kürzung). Voraussetzung ist grundsätzlich, dass sich die Tätigkeit des entsprechenden Unternehmens auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes beschränkt. Werden kürzungsschädliche Tätigkeiten ausgeübt, so kann die erweiterte Kürzung insgesamt nicht in Anspruch genommen werden. Hierzu gehören grundsätzlich Einnahmen aus der Lieferung von Strom sowie die Überlassung sonstiger Wirtschaftsgüter, die nicht Teil des Grundbesitzes sind, insbesondere Betriebsvorrichtungen.

Durch das FoStoG vom 3. Juni 2021 wurden § 9 Nr. 1 S. 3 und 4 GewStG neugefasst. Die Neufassung bringt zwei bedeutende Änderungen mit sich. Zum einen ist die Lieferung von Strom durch den Betrieb von Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien sowie durch den Betrieb von Ladestationen für Elektrofahrzeuge kürzungsunschädlich, sofern die Einnahmen daraus eine Freigrenze von 10% der Einnahmen aus der Nutzung des Grundbesitzes nicht übersteigen (§ 9 Nr. 1 S. 3 Bst. b GewStG). § 9 Nr. 1 S. 3 Bst. c GewStG normiert schließlich die Unschädlichkeit von Einnahmen aus unmittelbaren Vertragsbeziehungen mit den Mietern für die erweiterte Kürzung, wenn diese Einnahmen im Wirtschaftsjahr nicht höher als 5% der Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des Grundbesitzes sind. Die Regelung stellt eine allgemeine Öffnungsklausel dar, betrifft aber aus praktischer Sicht in erster Linie die Mitüberlassung von Betriebsvorrichtungen. Die Einnahmen, die aus diesen Tätigkeiten innerhalb der Bagatellgrenzen generiert werden, sind zwar selbst nicht begünstigt, führen aber auch nicht zur Versagung der erweiterten Kürzung insgesamt. Bei Überschreitung der Bagatellgrenzen kann die erweiterte Kürzung aber insgesamt nicht in Anspruch genommen werden.

Auf folgende Punkte aus dem Ländererlass in Bezug auf die Ermittlung der Bagatellgrenze ist hinzuweisen:

Die Bagatellgrenze von 10% bzw. 5% bezieht sich auf das für den Erhebungszeitraum maßgebliche Wirtschaftsjahr und ist gesellschaftsbezogen, d.h. Ausgangsgröße für die Berechnung der prozentualen Grenzen sind die Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des gesamten Grundbesitzes des Grundstücks- bzw. Wohnungsunternehmens. Hierzu gehören insbesondere die vereinbarten Miet- und Pachteinnahmen inklusive sämtlicher umlagefähiger Betriebskosten. Es sind grundsätzlich die vereinbarten fremdüblichen Mieten (Soll-Mieten) maßgeblich, d.h. ggf. später eintretenden Mietausfälle wirken sich nicht mindernd auf die Einnahmen aus. Im Falle einer temporären Mietfreistellung durch den Vermieter (bspw. Vertragsbeginn oder Krisensituation) ist aber grundsätzlich von einer vereinbarten Miete von EUR 0 auszugehen. Die Umsatzsteuer bleibt bei der Ermittlung der Einnahmen außer Ansatz (Nettobetrachtung). Im Falle einer ertragsteuerlichen Organschaft sind diese Voraussetzungen für alle zum Organkreis gehörenden Unternehmen getrennt zu prüfen.

Einnahmen aus der Veräußerung oder Demontage der in § 9 Nr. 1 S. 3 lit. b bzw. c GewStG genannten Anlagen, d.h. der PV-Anlage, den Ladeeinrichtungen bzw. der Betriebsvorrichtungen gelten als letzter Akt der Stromlieferung bzw. der unmittelbaren Vertragsbeziehungen zwischen Grundstücks- bzw. Wohnungsunternehmen und Mietern / Pächtern und sind daher bei der Prüfung der Bagatellgrenzen einzubeziehen. Da aber andererseits der Erlös aus dem Verkauf der Immobilie nicht zu den Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des Grundbesitzes zählt, kann es bei einer Veräußerung von Grundbesitz einschließlich PV-Anlage und / oder Betriebsvorrichtungen zu dem Problem kommt, dass die Einnahmen aus der Veräußerung der Anlagen zwar in die Berechnung der 5% / 10% Grenze erhöhend einbezogen werden, gleichzeitig aber der Veräußerungspreis, der auf den Grundbesitz entfällt, nicht im Nenner mindernd berücksichtigt wird.

Die gleich lautenden Ländererlasse schaffen in vielen Bereichen zeitnah nach Einführung der Neuregelung Rechtssicherheit in Bezug auf die Ansicht der Finanzverwaltung. Insbesondere die unterschiedliche Einbeziehung von Gewinnen aus dem Verkauf der Immobilie inklusive der Anlagen, kann aber zu praktischen Problemen im Veräußerungsjahr führen. Die Ausnahmevorschriften können nur dann praktisch genutzt werden, wenn dauerhaft sichergestellt ist, dass die 5% / 10% Grenze eingehalten werden kann. Mitunter macht es daher auch weiterhin Sinn die gewerbliche Stromlieferung und evtl. Betriebsvorrichtungen auf eigenständige Gesellschaften auszulagern, um das Potential der 5% / 10% Grenze dann vollständig als Puffer für evtl. unerkannte Tätigkeiten zur Verfügung zu haben.

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